Werkzeugkunde - Woran erkenne ich qualitativ hochwertiges Werkzeug?

Als jemand, der im direkten Spannungsfeld zwischen Ost und West aufgewachsen ist kann ich anekdotisch berichten, dass sich über die Jahre viel West- und keine Osthandwerkzeuge erhalten haben. Ich habe hier aus einer Werkstattauflösung ein paar DDR-Schlüssel zum Verleihen und weil ich für die Simson passendes Bordwerkzeug haben wollte, aber die sind schon deutlich einfacher und grobschlächtiger als die Hazet-Pendants. Zwei Ringmaulschlüssel > Maulweite 30 sind sehr ordentlich geschmiedet und auch maßhaltig (das ist wahrscheinlich die Kategorie "muss ewig halten und darf dafür auch etwas aufwendiger sein", aber dafür ist die Oberflächenvergütung für die Katz (außer im Ringmaul).Auch im Ost-Bootsverein mit Werkstatt ist nur sehr begrenzt Ostwerkzeug vorhanden.
 
Ich habe aus DDR-Produktion einen Geradschleifer von vorzüglicher Qualität, ganz was Feines! Der hat eine eingebaute Rutschkupplung die den Ruck begrenzt, der entsteht wenn der Fräser sich festbeißt. Das ist wirklich alleroberstes Niveau, war aber nicht gebaut um kostendeckend verkauft zu werden sondern um ein insgesamt wirtschaftliches Produktionsmittel zu bekommen.
Dann habe ich noch eine kräftige 3-Gang Handbohrmaschine mit MK2-Aufnahme, 1500W, in Stahl bis 23mm und den passenden Bohrständer dazu sowie eine Poliermaschine (wie große Flex nur langsamlaufend), alles richtig gute Qualität, nichts zu meckern. Anderes DDR-Werkzeug fand ich oft sehr grob oder aufwandsminimiert gemacht. Ein Hobeleisen mit aufgeschweißter Schneidlage benutze ich gerne, angeschweißt an ein Wasserrohr, zum Duchtrennen von Wurzeln im Erdreich.
 
Diese Multifunktionsirgendwasaufsatzdinger waren aber nicht nur in der DDR nichts halbes und nichts ganzes ;)
Klar. Aber sie waren volkswirtschaftlich rationeller (beliebter Begriff damals, meine ich...), als jedes einzelne Werkzeug, das alle halbe Jahre mal rausgeholt wurde, mit einem eigenen Motor etc. auszustatten.

Bsp. Küchen: Natürlich gabs dann auch als nächste Stufe die KM-Küchenmaschinen - wieder mit zig Aufsätzen. Aber so eine, genauer Aufsätze dazu (Allesschneider...) hab ich auch schon in einem verlassenen Feriendorf hier in der Nähe in der Kantine gefunden, ebenso wie in Privathaushalten. Natürlich laufen die Teile immer noch (irgendwie), v.a. die Motoren sind unkaputtbar.

Klingt irgendwie sehr widersprüchlich wenns eigentlich ewig halten sollte, aber jetzt nach einigen Jahrzehnten auseinander fällt.
Wie gesagt, es gab auch hier von-bis. Ein schönes Beispiel wieder aus dem Küchenbereich: Es gab so unglaublich billig produzierte, dünnwandige PVC-Tortentransportboxen in schön bunten, aber zugleich angenehmen Farben (nich so knallbunt). Auch wenn wir noch ein paar in passablem Zustand rumliegen haben/benutzen, waren das keine Ewigkeitsprodukte - aber extrem billig herstellbar und letztlich rationell.
th

Wie würdest du denn so ganz allgemein die Qualität von Werkzeugen im Vergleich mit Produkten von z.B Hazet oder Gedore ziehen bzw. in welchem Preissegment würde man sich da wohl heute bewegen?
Kann ich nicht bewerten, zu wenig Ahnung von Westwerkzeug/allgemein vom Thema. Aber die Vorredner haben glaube ich den Punkt getroffen - es gab von-bis, je nach Zielgruppe und Einsatzzweck. Die üblichen Maulschlüssel zB sind echt nicht dolle, die Rollgabelschlüssel find ich ziemlich robust, ebenso die Bohrer, die wir noch so rumliegen haben. Aber der übliche Kram ebend nicht gerade Präzisionswerkzeug.

Im Zweifelsfall wurden selbst Kleinstserien unter hohem Personalaufwand gebaut, wenn das Produkt nicht für den Massenmarkt vorgesehen war/nicht zu kriegen war. Hat mein Vater zB in Bezug auf Lautsprecher/Bühnenequipment gemacht, Zuarbeit für Kleinstserien. Oder wie es ein Bekannter ausdrückte: Man hat auch als Privatperson (als größerer Betrieb m.W. sowieso) in der DDR alles bekommen - man musste nur wissen, wie (bzw. über wen). Und im Extremfall bereit sein, Schwarzmarktpreise für illegal importierte Güter zu bezahlen. Bei uns steht noch ein Casio Keyboard aus den 80ern herum, das Ende der 80ern meinen Vater iirc. um die 10.000 M gekostet hat - also etwa 10 Monatslöhne. Dass das dann nie ne Bühne gesehen, steht auf nem andern Blatt.

Und es wurde extrem viel repariert/wiederaufbereitet:


Vielleicht interessant im Vergleich, wann anderswo der letzte Feilenhauer den Betrieb aufgab:

Ich meine, dass im Allgemeinen der Kernpunkt war, mit möglichst geringem Produktionsaufwand und Ressourceneinsatz maximalen Gebrauchswert zu erzielen - auch wenn am Ende eher mittelmäßige, aber brauchbare Qualität rauskam. Der Trabant 601 ist nen gutes Beispiel dafür - hat seinen Zweck erfüllt und der Investitionsaufwand für eine neue Fahrzeuggeneration (Umbau der Fabriken etc.) wurde gescheut.

Oder besser noch: Devisen ausm Westen mit hochwertigen, aber billig verkauften Exportgütern zu kriegen, der Mixer ist da nur das bekannteste Beispiel (Wartburgs zB, im Osten ewige Wartezeiten, im Westen billiges Importprodukt). Verlängerte Werkbank und so.

Aber das ist nur meine Meinung/bisheriger Kenntnisstand. Ein ehemaliger Kombinatsdirektor meinte mal zu mir, dass sie betriebswirtschaftlich letztlich wie im Westen auch nur mit Wasser gekocht haben. Ich meine, dass sich generell die Volkswirtschaften nur begrenzt unterschieden/vieles ähnlich war, auch was die Leistungsfähigkeit, Schulden etc. anging. Nur dass die DDR mit völlig anderen Rahmenbedingungen (Handelsbeschränkungen, Reparationen an die SU statt Marschallplan etc.) gestartet war - mit den entsprechenden langfristigen Konsequenzen.
 
Wenn man das von allen Seiten betrachtet, ist da wohl viel wahres dran.

Holzbearbeitung kenne ich halt nur von der professionellen Seite, da ist das dann oft sehr einseitig was ich sehe.

Oft ist es aber auch so, dass Laien dann mit minderwertigen Zeug sehr schnell frustriert sind.

Diese Multiwerkzeuge sind einfach ungenügend, wenn du dann nichtmal beurteilen kannst an was es liegt, kommt keine Freude auf.

Werkzeug immer qualitativ so gut kaufen wie es mögluch ist, natürlich muss man da abwägen welche Möglichkeiten man hat. Dabei hilft ja dann dieser Thread ;)
 
den man auf einen Staubsaugermotor aufsetzen konnte - also ein Standmixer war's dann...
Neeneenee, das war schon getrennt - Staubsauger war Staubsauger und Mixer war Mixer/"Bohrmaschiene" (wobei ein Schlagbohrgang für Schlagsahne nicht vorgesehen war.

Ansonsten, ist zwar leicht OT spinnt den Bogen von Vorwerk Mixer zu Vorwerk Staubsauger aber weiter: Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern (Werbespruch Kobold-Staubsauger: Mit meinem kleinen Ding komme ich überall hin.)
 
Ich meine, dass im Allgemeinen der Kernpunkt war, mit möglichst geringem Produktionsaufwand und Ressourceneinsatz maximalen Gebrauchswert zu erzielen - auch wenn am Ende eher mittelmäßige, aber brauchbare Qualität rauskam. Der Trabant 601 ist nen gutes Beispiel dafür - hat seinen Zweck erfüllt und der Investitionsaufwand für eine neue Fahrzeuggeneration (Umbau der Fabriken etc.) wurde gescheut.
Ich glaube, der Trabant ist sinnbildlich für die Misere in welcher die DDR-Wirtschaft sich befand.
Als er ende der 50er Jahre der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war er ja noch ein durchaus zeitgemäßes Fahrzeug. Rohstoffknappheit, sowie mangelnder politischer Wille führten dann aber dazu, das die Weiterentwicklung über die kommenden Jahrzehnte fast vollkommen auf der Strecke blieb.

Später dann als man wirtschaftlich den Anschluss an die Bundesrepublik verlor, und sich zunehmend Unzufriedenheit in der Bevölkerung breit machte, war man dann schon gar nicht mehr in der Lage etwas an der Situation zu ändern weil keine Mittel da waren um - wie du es ja schon geschrieben hast - in die Entwicklung neuer Technik, und die Modernisierung der Fabriken zu investieren.


Nur dass die DDR mit völlig anderen Rahmenbedingungen (Handelsbeschränkungen, Reparationen an die SU statt Marschallplan etc.) gestartet war - mit den entsprechenden langfristigen Konsequenzen.
Umso beachtlicher ist die Leistung welche die Menschen in diesem Saat trotz all der Widrigkeiten vollbracht haben.
 
Vergiss nicht den krassen Fachkräftemangel durch Abwanderung, die erst 1961 zum Erliegen kam. Warum nur.

Ich würde es sogar noch etwas anders fassen - die DDR erlag (u.a.) letztendlich ihrer Einbindung in einen totalitären/imperialistischen Staatenbund und einer materialistischen Doktrin, die letztendlich dem klassichen "Wohlstandsversprechen gegen Freiheitsentzug" vieler Diktaturen entsprach. Nur dass sie sich von Anfang an mit der gut gepäppelten BRD messen musste und dieses "Überholen ohne Einzuholen" nur verlieren konnte. Oder wie ein Bekannter mal zur ersten Nachwendewahl meinte: " Die haben Apfelsinen und Bananen gewählt."

Die vielleicht einzige Chance dem zu Entkommen, nämlich tatsächlich ein menschlich besseres, gerechteres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, war durch das eigene diktatorische Schrebergartenregime und die Einbindung in die SU verbaut. Das wäre dann nämlich in Umkehrung des o.g. "Freiheit gegen geringeren Wohlstand" gewesen. Und wohin solche Bestrebungen führten, sah man bspw. am Prager Frühling.

Wer sich mal aus der Perspektive der Wirtschaftselite der DDR (ein paar von denen hab ich auf den Veranstaltungen von Rohnstock Biografien kennengelernt, sehr interessante und intelligente Menschen) deren Wirtschaftsgeschichte anschauen will, dem sei das hier wärmstens empfohlen:


So, nun aber genug Kontext zu Angebot und Qualität von Werkzeugen Made in GDR. ;)
 
alleine das man diese Werkzeuge heute noch gebraucht erwerben kann, zeigt von deren Qualität. Ich habe mal eine DDR Scherenhebebühne gehabt, die ich dummerweise wieder verkauft habe, die war massiv gebaut. Alles simple einfach zu reparierenende Technik. Dann hab ich noch eine Eibenstock Spatengriff Bohrmaschine zum Beton usw. Anrühren. Die kann nur an und aus mit 2 Gängen. Aber auch unzerstörbar.
Ich denke heutige Maschinen haben in 30 oder 40 Jahren nicht diesen Ruf.
Und die Geräte funktionieren dann immer noch.
 
In Kurzform: Das Ratschen 1x1

Nachdem ich mich nun ausführlichst über Ratschen ausgelassen habe, schiebe ich abschließend eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Kriterien ein, bevor ich mich demnächst den Stecknüssen zuwende.

Das hier ist für alle denen mein Geschreibsel zu lang war und/oder für angehende Schrauber die einen Überblick über alle wichtigen Punkte haben möchten.


Wie viele Zähne bzw. Grob- oder Feinverzahnung?
Es gibt zwar grob verzahnte Ratschen in guter Qualität von Namhaften Hersteller - im allgemeinen aber gilt das Ratschen mit feiner Verzahnung hochwertiger sind.
Sie haben einen geringeren Rückholwinkel was bei beengten Verhältnissen Gold wert sein kann. Zudem halten fein verzahnte Ratschen deutlich höhere Drehmomente aus ohne Schaden zu nehmen.

Spiel in der Aufnahme
Dies ist einer der wichtigsten Indikatoren. Eine hochwertige Ratsche hat nur geringes Spiel in der Aufnahme. Wenn man mit den Fingern am Vierkant herum drückt, sollte dieser sich nur 1-2mm bewegen.

Geräusch
Oft kann man auch bereits mit dem Ohr erahnen ob die verbaute Mechanik eine gute Qualität hat.
Das lässt sich in Textform schwer beschreiben, aber billige Ratschen geben beim drehen oft ein blechernes Geräusch ab oder krachen sogar richtig gehend.

Mit oder ohne Schnellauswurf
In der Theorie halten Ratschen ohne Auswurfknopf höhere Drehmomente aus, weil der Vierkant bei diesen keine Bohrung in der Mitte hat.
Tatsächlich besitzt dieser Unterschied im Alltag praktisch keine Relevanz da die Produkte bekannter Markenhersteller allesamt die gültige DIN- bzw. ISO-Norm meist nicht nur einhalten, sondern sogar übertreffen.

Matt oder Glanzverchromt?
Ein Werkzeug mit mattierter Oberfläche liegt meist besser in der blanken Hand, eine glänzend verchromtes lässt sich leichter reinigen, ist aber schnell rutschig wenn es ölig wird, und man ohne Arbeitshandschuhe arbeitet.
Ansonsten gilt auch hier: Der persönliche Geschmack entscheidet.

Metall- oder Kunststoffgriff?
Dies ist in erster Linie eine Frage der persönlichen Vorlieben. Dennoch sollte man vor dem Kauf darüber nachdenken unter welchen Bedingungen man sein Werkzeug nutzen möchte.
Schraube ich z.B in der unbeheizten kalten Garage, sind Kunststoffgriffe deutlich angenehmer in der Handhabung.

Service- und Reparatur
Hersteller guter Ratschen bieten Ersatzteile an, wenn doch mal etwas abbricht.
Günstige Discounter- und Baumarktware, aber auch Ware von Handelsmarken ist bei einem Schaden nur noch für die Mülltonne zu gebrauchen. Je nach Garantieleistung, oder Kulanz der jeweiligen Marke gibts dann vielleicht eine neue im Austausch.
 
Metall- oder Kunststoffgriff?
Es gibt Weichkunststoffe die sich im Lauf der Zeit zersetzen und klebrig werden. Das ist den Werkstoffen nicht anzusehen aber im Verlauf unvermeidlich. Insbesondere die aktuell verbreiteten "soft grip" Varianten sind häufig aus einem Kunststoff, der in 15 bis 20 Jahren sicher ekelig klebt. Daher hat diese Frage, gerade bei Ratschen im Hobbybereich angesichts der erwarteten Nutzungsdauer (eher in Richtung vererbbar), auch einen ökologischen Aspekt
 
Es gibt Weichkunststoffe die sich im Lauf der Zeit zersetzen und klebrig werden.
Genau deshalb haben (bis auf die Discounterteile) alle meine Ratschen keinen Kunststoffgriff.
Diese elende Gummibeschichtung die heutzutage an jedem Werkzeug Pflicht zu sein scheint löst sich immer auf - egal bei welchem Hersteller, und in welcher Preisklasse. Mal ganz davon abgesehen das man die nie mehr sauber bekommt wenn sie erstmal dreckig sind. Da rebelliert dann mein innerer Monk.

der in 15 bis 20 Jahren sicher ekelig klebt.
Das ist sehr optimistisch. Der 1/4" Steckgriff aus dem Lidl-Kasten löst sich jetzt schon auf. Dabei ist der keine zwei Jahre alt, wurde wenig benutzt, und liegt im dunklen trockenen Keller bei Nichtgebrauch.
 
Es gibt Weichkunststoffe die sich im Lauf der Zeit zersetzen und klebrig werden. Das ist den Werkstoffen nicht anzusehen aber im Verlauf unvermeidlich. Insbesondere die aktuell verbreiteten "soft grip" Varianten sind häufig aus einem Kunststoff, der in 15 bis 20 Jahren sicher ekelig klebt. Daher hat diese Frage, gerade bei Ratschen im Hobbybereich angesichts der erwarteten Nutzungsdauer (eher in Richtung vererbbar), auch einen ökologischen Aspekt
Gerade bei Knarren ein wichtiges Entscheidungskriterium, die können ein Menschenleben überdauern, griffige Beschichtungen oder Zweikomponenten-Spritzguss mit weichem Anteil aber nicht. Der Kram geht genau dann kaputt wenn man sich an das Werkzeug richtig gewöhnt hat. Zum Teil steckt da ein Metallende drin, das so geformt ist, dass man mit erträglichem Aufwand einen Kunststoff oder Holzgriff dranbauen kann. Bei Kunststoff kann man auch Mut zu Farbe zeigen oder UV-Fluoreszierende Kunststoffe verwenden: "Wo ist eigentlich der Kartoffelstampfer???"

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Es scheint aber wenigstens vorübergehend Hilfe zu geben, Lösung ohne Gewähr:

 
Nach dem Eröffnungspost kam ja erst diese Idee, statt nur allgemein darüber zu schreiben, eine Art "Werkzeug-Kompendium" aufzubauen in dem man dann nachschauen kann was andere User so nutzen, und welche Werkzeug(marken) etwas taugen oder nicht.
Vielleicht kann dir @Reinhard ein bisschen Platz im Wiki freischaufeln. Fände ich sehr hilfreich und vor allen Dingen leichter auffindbar, als im Forum.
 
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