AW: Neues Lastenrad von Riese und Müller!!!
Ist bei einem Long John die (dynamische) Lastverteilung so sehr anders?
Statisch und ohne Ladung, also nur mit Fahrer besetzt, wird so'n Long-John zunächst mal "nur Hinterrad" sein, was sicher auch bereits beim Lenken Schwierigkeiten bereiten wird. Um die dynamische Radlastverteilung bei einer Vollbremsung zu ermitteln, legst du am Gesamtschwerpunkt (der dürfte etwa mittig zwischen Lenker und Sattel liegen) einen Vektor unter 45° nach vorne unten an. Der wird wohl deutlich hinter dem Aufstandspunkt des Vorderreifens durch die Fahrbahn dringen, was schon mal anzeigt, daß ein Stoppie mit so'nem Fahrrad unter Normalbedingungen unmöglich ist. Mit zusätzlichen 100kg beladen wird sich daran im Normalfall nicht viel ändern, solange der Schwerpunkt der Ladung nicht sehr hoch ist. Der Gesamtschwerpunkt wird sich dann irgendwo auf Höhe des Lenkrohrs oder etwas davor in der Nähe des zuvor gezeichneten Vektors rumtreiben. Statische Radlastverteilung dann etwa 50/50.
Bislang betrachten wir aber nur die Vollbremsung mit einer Beschleunigung von -1g. Dauerbremsung bedeutet hingegen "im Gefälle Geschwindigkeit halten", also eine Beschleunigung von 0g. Die Hinterradlast sinkt dabei nur durch die wegen des Gefälles verdrehte Lage des Fahrrades.
Ich habe es selbst nicht nachgerechnet, aber lt.
http://www.radlwiki.de/index.php/Leichtbaubremsscheiben kann eine 160er Scheibe grade mal 50kJ aufnehmen bevor sie sich auf 950°C erhitzt - da dürfte dann schon längst keine Bremswirkung mehr da sein.
Mit Scheibenbremsen am Fahrrad habe ich keine Erfahrung, aber am Auto oder Motorrad (Gespann mit 500kg zGG und Einzelscheibe vorne) kannst du die Scheibe zur Rotglut bringen, ohne daß du eine nachlassende Bremswirkung bemerkst. Die Rechnung in dem Link berücksichtigt die Kühlung nicht, und die fällt eben um so höher aus, je höher die Temperaturdifferenz zwischen Scheibe und Umgebungsluft, ja wärmer also die Scheibe ist.
(Ein weiterer Fehler in dem Artikel ist die angegebene Grenztemperatur von 400°C für "Alu", wobei im Text dann die Legierung EN-AW 7075 genannt wird. Ist hier off-topic, aber da 7075 unter Hobbyschraubern gerne als "St-50 in leicht" angesehen wird, ein paar Worte dazu: Das ist eine stark mit Kupfer übersättigte Knetlegierung, die ihre Härte und Festigkeit nur und ausschließlich aus der Wärmebehandlung nach dem Guß bezieht. Damit sie ihre Eigenschaften behält, darf sie im Betrieb nicht mehr in die Nähe der sog. Auslagerungstemperatur gelangen, wobei die Grenze hier eigentlich schon bei 90°C gezogen werden muß. Alles darüber schädigt das Material unumkehrbar, wobei sich diese Schädigungen aufsummieren und die Festigkeit auf Dauer ins Bodenlose sinkt (< 200 N/mm²). An der Bremse hat das Material deshalb nix verloren, vielleicht mal abgesehen vom Handhebel. Aber auch dort ist es nicht ideal, läßt sich nur schlecht eloxieren und neigt wegen des hohen Kupferanteils zur Korrosion.
http://www.giessereilexikon.com/ind...g-von-aushaertbaren-aluminium-gusslegierungen )
Back on topic: Einig sind wir uns aber, daß ein Lastenrad außerhalb von Kopenhagen, Amsterdam oder Berlin eine gescheite Bremse braucht und daß man das, was bisher angeboten wird, mit einem genügenden Maß an Unvernunft schon klein bekommen wird, wenn man's drauf anlegt. Besonders attraktiv sind dabei natürlich bei E-Antrieb Rekuperationsbremsen, die bei Mittelmotoren dann allerdings eine mitlaufende Kette erfordern, was wiederum den Sicherheitsbeauftragten auf den Plan ruft. Wenn die sich mal ein Hosenbein, ein Kleid oder einen Schal schnappt, wird's ungemütlich.
Riese & Müller sind nicht in Plattdeutschland sondern am Rande des Odenwaldes angesiedelt. Ich gehe deshalb davon aus, daß die das Stichwort "bergab" schon irgendwo auf dem Zettel hatten.
Gruß,
Clemens