Ich fahre seit zwei Wochen ein Long-John, also etwa 2,7m lang, einspurig und durch Seilzuglenkung zwar recht wendig, aber eben ziemlich groß.
Damit fahre ich durch Bremen, einer Großstadt im Nordwesten Deutschlands mit einer der umfangreichsten Radwegenetze in diesem Land und einem der höchsten Anteile von Fahrradfahrern am gesamten Verkehrsaufkommen.
Das sind für Fahrradfahrer nur auf den ersten Blick paradisische Zustände, denn die vielen Radwege sind eben auch von vielen Radfahrern belegt und ein Lastenrad füllt so einen Radweg vollständig aus.
Ich muss mit meinem langen Rad zum Beispiel an Ampeln einige Meter früher anhalten, denn ich rage sonst zu weit in querende Fahrspuren hinein.
In Bremen gibt es ein Straßenbahnnetz und einige Ampelschaltungen sehen vor, das Radfahrer und Fußgänger zuerst eine Hälfte der Straße überqueren, auf einer Verkehrsinsel warten und zeitverzögert dort Grün bekommen, um die zweite Straßenhälfte zu queren.
Wo zusätzlich auch noch eine Straßenbahn diese Verkehrsinsel passiert, ist für normale Fahrräder und Fußgänger zwar gut zwei Meter Platz gelassen, aber mein Kreuzfahrtschiff passt dort nicht mehr hin. Also warte ich vor der Kreuzung oder folge statt dessen den Autofahrern auf der Straße und orientiere mich an deren Ampelschaltung.
Das kommt natürlich nicht oft vor, denn nicht ständig ist eine Straßenbahn in Sichtweite, aber ich muss damit rechnen, denn ich könnte eben kaum Platz machen.
Andere Fahrradfahrer halten mehr Abstand, sie sind hier in Bremen aber auch schon an Lastenräder gewöhnt. Auch Autofahrer verhalten sich passiver als bei einem Standardfahrrad. Das große Fahrrad wird akzeptiert und obwohl ich keine Motorunterstützung habe, komme ich an Ampeln auch zügig genug vom Fleck um Niemanden auszubremsen.
Fußgänger sind in einer Großstadt für die vielen Radfahrer oft ein Hindernis. Einzelne Personen dabei eher nicht, aber Gruppen von drei oder mehr Menschen gehen oft nebeneinander und dann werden von 1,5-2m breiten Fußwegen mit 1-1,5m breitem Radweg mindestens ein Teil des Radwegs mitbenutzt.
Bislang kann ich noch auf Klingeln verzichten, denn meine gegenwärtig verbauten Bremsbeläge sind leicht verölt und quietschen laut genug um Platz zu schaffen. Aber ich muss auch hier mehr Rücksicht nehmen, da ich solche Personengruppen mit mehr Abstand passieren muss als mit dem normalen Rad, da ich Kurven nicht so eng schneiden kann, mit über zwei Metern Radstand.
Und ich fahre dabei noch den Sportwagen unter den Lastenrädern. Ein Christiana oder vergleichbares Kistendreirad braucht mehr Platz, fährt langsamer und ist im Gegensatz zu meinem Einkaufsrad oft noch mit Kindern beladen.
Aus Sicht der Fußgänger erhöht sich dadurch der Stresspegel deutlich. Schnelle und langsame Lastenräder, breite und schlanke.
Und diese Ungetüme verhalten sich im Verkehr nicht für jeden Beobachter vorhersehbar. So bremst ein Dreirad vor einer 90°-Kurve fast bis zum Stillstand ab, lenkt dann ein und fährt behäbig weiter.
Ein Long-John mit Seilzuglenkung kommt je nach Geschick des Fahrers mit einem zwei Meter Bogen um die Ecke. Ein Bullitt mit Lenkgestänge brauch mindestens einen Meter mehr Raum dafür.
Und all das ist eine Erscheinung die erst in diesem Jahr so richtig aufgetreten ist. Noch im letzten Jahr ist zumindest in Bremen ein Transport der Kinder zum Kindergarten mit dem Fahrradanhänger durchgeführt worden. Die sah man öfter im Verkehr und gehäuft vor Kitas.
Nun werden die Anhänger von Lastenrädern ersetzt.
Mir begegnet in der Stadt etwa alle fünf Minuten ein geparktes oder bewegtes Lastenrad.
Es ist kein Wunder, das sich der Unbeteiligte davon bedroht fühlt. Ich nehme mich selbst ja schon als Gefahr für Fußgänger wahr, wenn ich mit dem Traumschiff in Richtung Baumarkt dampfe.
Aber Bremen baut die Stadt um. Es werden Fahrspuren zugunsten von Radfahrern abgesperrt, Fahrradstraßen eingerichtet und all diese Baustellen und Staus sorgen dann für noch mehr Radverkehr.
Die Kritik ist berechtigt.