Lieber Weihnachtsmann und liebe Mitlesende,
ich habe etwas gezögert, mich zu der Sache zu äußern. Ich bin kein Jurist und das Folgende bitte ich unter der Rubrik "Allgemeine Lebenserfahrung" zu verbuchen. Und bitte korrigiert mich, wenn ich falsch liegen sollte.
Die ganze Fragestellung des threads gleicht einem "das Pferd vom falschen Ende her aufzäumen".
Zunächst handelt es sich um einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht, der polizeilich aufgenommen wurde. Es gibt einen Zeugen. Es gibt ein (vom Zeugen wohl bestätigtes?) Kfz-Kennzeichen des Unfallgegners. Richtig soweit? Und alles weitere zur Unfallklärung wissen wir hier noch nicht.
Ich würde mich als Geschädigter zunächst mit dem Zentralruf der Kfz-Haftpflichtversicherer in Verbindung setzen und die dem Kennzeichen zugehörige Kfz-Haftpflichtversicherung erfragen.
https://www.zentralruf.de/
Zu hoffen ist, dass es sich nicht um ein geklautes und ummontiertes Kennzeichen gehandelt hat. Aber davon gehen wir jetzt mal zunächst nicht aus.
Ganz unabhängig davon, wer das Auto gefahren hat (Halter oder auch nicht, Bekannter, Familienmitglied, Kfz gar als gestohlen gemeldet - fake oder nicht) kannst und solltest Du als Geschädigter mit der recherchierten Kfz-Haftpflichtversicherung Kontakt aufnehmen und den Schadensfall Deinerseits melden. Keine Ahnung, ob das von der anderen Seite schon geschehen ist, aber damit würde ich keine Zeit verlieren. Und zwar auch ganz unabhängig davon, ob etwa eine private Einigung mit der Gegenseite ganz ohne Haftpflicht-Inanspruchnahme geschieht. Das interessiert zunächst nicht. Die gegnerische Haftpflicht kann im Nachgang auch eine Einigung mit dem Versicherungsnehmer treffen, dass der sich bezüglich Schlechterstufung Schadensfreiheitsklasse mit einer eigenen Zahlung schadlos hält. Das ist zunächst nicht Dein Bier! Sollte der Gegner den Unfall melden, dann müsste die Versicherung von sich aus mit Dir Kontakt aufnehmen (bereits aufgenommen haben).
Die Versicherung sollte Dir einen Bogen zukommen lassen, damit Du einen Unfallbericht erstellen kannst. In diesem kannst Du bereits eine Einschätzung des materiellen (oder doch auch körperlichen) Schadens und der Beeinträchtigung durch Ausfall des Rades vornehmen. Musst Du aber auch nicht. Wichtig ist zunächst das Unfallgeschehen und die Anerkenntnis der Schuld des Gegners. Und, dass Du weißt,
wem gegenüber Du den Schaden geltend machst.
Zu letzterem Punkt: Wenn es irgendwelche Querelen geben sollte, wer hat das Auto tatsächlich gefahren u.s.w., so ist seitens der Polizei vielleicht schwierig, die Strafsache Fahrerflucht auszuermitteln. Du als Geschädigter aber hast dennoch Ansprüche ggü der Versicherung, sofern das Unfallereignis selbst, durch Zeugen bestätigt, anerkannt wird. Es besteht Versicherungspflicht für Kfz und eine Gefährdungshaftung. Rollt ein Kfz führerlos ohne Handbremse oder eingelegten Gang den Berg hinunter und schädigt Jemanden, dann braucht nicht lange geklärt werden, welcher Depp das Auto so abgestellt hat - dem Kfz wohnt wegen Gewicht/Masse und ggf Geschwindigkeit eine Gefahr inne, das wissen Gesetzgeber und Versicherungen, daher wird eine Schadensregulierung für solche Fälle und jene, in denen der Halter nicht ausermittelt werden kann, aber eine Haftpflicht besteht, ausdrücklich vorgesehen.
Kfz-Versicherungen sind durchaus teure Regulierungen gewohnt (Sachschäden, aber auch und gerade Personenschäden, Langzeitfolgen betreffend). Selbst ein komplett neues Lastenrad, im Falle eines Totalschadens, liegt aber preislich mit 3000 bis 6000€ gerade mal im Bereich von Blechschäden bei Kfz (mit Neulackieren), sofern es neuere Autos und keine Schrottkisten betrifft. Und bei körperlichen Schäden ist die Schadenssumme im Falle ernster Verletzungen sehr schnell deutlich drüber.
Daher würde ich mir gar nicht so einen großen Kopp machen (ich komme gleich noch darauf zurück): Die Schadensregulierung zu dem von Dir geschilderten und so eingeschätzten Schaden ist für den Haftpflicht-Sachbearbeiter wahrscheinlich kein großes Ding (Widerspruch und hin und her, Gutachten - alles zu aufwändig). Nur meine Einschätzung. Zerbrich Dir auch bloß nicht
deren Kopf!
Wichtig ist, dass Du in Dich gehst, ob Du wirklich
körperlich okay bist und nichts abbekommen hast. Auch Prellungen und Schürfwunden oder ein leichtes Schädelhirntrauma zählen. Oder aber erst später auftauchende Probleme an Schulter und Handgelenk (ich spreche das aus Erfahrung). Das kann auch nach längerer Zeit noch Gegenstand von Ansprüchen ggü der Haftpflicht sein! Einerseits sollte möglichst zeitnahe zum Ereignis eine Dokumentation von körperlichen Schäden durch geeignete Stelle (Arztpraxis, Rettungsstelle) erfolgen, andererseits zeigt die Wirklichkeit nun einmal, dass das nicht immer passiert. Der erste Schreck lässt Schmerzen vergessen, erst drei Tage später fällt irgendwas auf, dann aber fragt sich jeder: Lohnt der Gang zum Arzt noch? Ich will es nur angemerkt haben. Und, nicht zuletzt wichtig zu diesem Komplex: Handelte es sich Deinerseits um einen Wegeunfall hin zur Arbeit oder zurück? Dann die Berufsgenossenschaft und einen BG-Arzt miteinbeziehen, falls körperlich doch etwas sein sollte! Wichtig, zeitnahe! Die BG ist eine gute Allianz für solche Fälle, auch das will der Gesetzgeber so.
Gut.
Nach alledem käme erst zuletzt das mit dem konkreten Schaden am Rad. Sofern die Versicherung die Sache anerkennt, würde ich nicht sofort ein teures Gutachten in Auftrag geben. Du könntest tatsächlich auf den Kosten sitzen bleiben. Nicht unbedingt wahrscheinlich, aber möglich. Sollte die Versicherung ihrerseits begutachten wollen und das zu Deinem Nachteil ausfallen, so hast Du immer noch Gelegenheit ein zweites Gutachten zu fordern.
Ich berichte mal beispielhaft wie ich das mal erlebte.
Eine Freundin hatte einen dooring-Unfall (zu einer Zeit, als dieser Begriff noch nicht in Mode war) und in der Folge schien die Gabel ihres Rennrades verbogen, das Vorderrad war platt. Erste Vorstellung des Unfallgegners war gewesen: 100 Tacken auf die Hand und gut ist. POL hatte Unfall unanbhängig davon aufgenommen und der Schädiger beschwerte sich bereits bei uns wegen des auferlegten Bußgeldes, das sei unnötig gewesen. Gegenüber von uns war ein Rennrad-Geschäft mit Werkstatt gewesen und die hörten die Geschichte mit Interesse. Sie nahmen sich des geschätzt 15 Jahre alten (schönen!) Rennrades an und listeten auch wirklich jede Schraube und Zwischenlegscheibe inklusive Arbeitskosten auf, fanden einen auch leicht lädierten Rahmen und anderes. Kurzum: wirtschaftlicher Totalschaden. Wiederbeschaffungswert wurde bei ansonst gutem Erhaltungszustand auf den eines gleichwertigen neuen Rades taxiert. So plusminus. Natürlich war mit diesem Kostenvoranschlag implizit klar, dass das neue Rad genau dort gekauft werden sollte bzw. falls doch Reparatur, dann eben in dieser Werkstatt. Letzteres wurde auch gemacht, die Reparatur, denn das Rad war doch zu retten gewesen (und Herzenssache). Die Rechnung belief sich auf deutlich unter 1000,- und die Versicherung hat nicht mit der Wimper gezuckt - das sind für die recht billige Regulierungen. Der Schädiger, der noch mit Geldscheinen wedelnd uns hinterherlief bekam dann die Ansage, dass er das gerne noch mit der Haftpflicht selber klären kann (Schadensfreiheit ...), nicht mehr unsere Sache - Tschüss!
Mag sein, dass sich in den Jahren seither etwas geändert hat. Ich bin wie erwähnt auch kein Rechtsprofi und schliesse jedwede Gewähr für meine Tipps aus. Aber ich habe erlebt, dass der Hase eher so läuft.
Welches Lastenrad, Hersteller und Modell, ist es denn bei Dir? Elektrifiziert oder Bio? Teuer oder nicht? Besondere Ausstattung? Geschätzter Wiederbeschaffungswert? Vor allem aber: Ist die Klärung der Schuldfrage zu dem Unfall schwierig? Gibt es, nur für den Fall der Fälle, eine eigene Privat-Haftpflicht, nur, falls umgekehrt die Gegenseite Ansprüche stellen sollte? Bist Du Rechtsschutz-versichert? Hast Du eine Art Rechtsbeistand im Kreis von Familie und Freunden, denn Du einbeziehen könntest, nur für den Fall, dass es doch komplizierter werden sollte? Kann neben dem Kennzeichen der Fahrer anhand irgendwelcher körperlicher Merkmale beschrieben werden? Hast Du ein Gedächtnisprotokoll gefertigt, mit Datum und Uhrzeit, möglichst detailreich?
Entschuldigt meine langen Ausführungen, aber ich wollte das mal loswerden. Der erste Schritt vor dem Zweiten. Vielleicht aber habe ich auch etwas falsch verstanden oder einfach zu wenige Informationen, um die Situation einzuschätzen - dann sieh's mir nach.
Alles Gute!