Moin zusammen, sehr interessante Diskussion.
Würde gern als täglicher Nutzer zweier S-Pedelecs meinen Senf dazu geben, vielleicht hilft's bei der Entscheidung.
Vorab: Respekt für die Entscheidung ein Auto abzuschaffen und die Strecke mit einem S-Pedelec zu fahren.
Tja, wo fängt man an und wo hört man auf, schließlich gibt es bei so einer Entscheidung viele Aspekte zu betrachten.
Da du aus meiner Heimatstadt (die ja nun Fahrradstadt werden soll) kommst, kenne ich die Lage vor Ort ganz gut. Bei rein innerstädtischem Pendeln lohnt ein S-Pedelec nicht, da die Vorteile (km-Fressen mit hohen Tempo) in der Stadt kaum zum Tragen kommen und ein normales Pedelec da kaum langsamer ist. Pendelt man aber von umliegenden Orten (Graal-Müritz, DBR, Sanitz/Tessin o.ä.) in die Stadt sieht das ganz anders aus.
Wetter: Rostock ist immer etwas rauer als das Wetter hier in Bayern, aber trotzdem gibt es so wenig Regentage und kaum schlechtes Wetter, als dass man nicht fahren könnte. Diese Wintersaison habe ich mich 2 mal in den Zug gesetzt und das Rad stehen lassen. Kaum der Rede wert...
Kosten: Rechne lieber nicht nach, so ein sauteures S-Pedelec ist kaum günstiger zu betreiben, als ein Uraltauto. Was unglaublich günstig ist: Die Teilkasko-Versicherung. Bei der HUK kostet es jährlich ca. 55 Euro. Das ist unschlagbar, sogar inkl. Ersatz bei Diebstahl.
Zur Diskussion getuntes Pedelec vs. S-Pedelec: Tja, da streiten sich die Geister, aber wir fahren inzwischen zwei von den Dingern und wollen nichts anderes mehr. Hier steht die Puzzilei morgen an der Hauptpendelstrecke für Radler und kontrolliert. Ich behaupte mal dreist: Die Wahrscheinlichkeit wegen Versicherungsbetruges o.ä. dran zu kommen ist ungleich schmerzhafter, als das man als S-Pedelec-Fahrer aufgefordert wird, vom Radweg auf die Fahrbahn auszuweichen. Im täglichen Betrieb entscheide ich spontan je nach Verkehrslage, eigener Sicherheit und Beschaffenheit der Radverkehrsanlagen, wo ich fahre. Prinzipiell darfst du mit dem S-Pedelec keinerlei Radwege (auch nicht außerorts), keine Radstreifen nutzen. Praktisch interessiert das niemanden, vor allem auf Radstreifen fahre ich gern mit dem S-Pedelec, weil die Überholgeschwindigkeit der Kfz deutlich geringer ist und man besser im Verkehr mitschwimmt. Außerorts (z.B. von Sanitz nach Brinkmannsdorf oder von DBR nach Schutow) nehme ich immer den Radweg und komme extrem gut voran. Das ist natürlich immer einer Frage des Anstandes nicht mit 45 Sachen an Fußgängern und langsameren Radler vorbei zu düsen. Hier gilt für mich: Tempo runter und Rücksichtnahme.
Zum Lastenrad selbst: Das Packster ist von seiner Grundform und dem Design recht solide gemacht und lässt sich gut fahren, auch und vor allem bei höheren Geschwindigkeiten. Ja, die Bremsen könnten besser sein, einige Details hochwertiger und langlebiger ausgeführt sein (z.B. die Gabel - auch das Suntour-Modell ist verschleißfreudig und pflegeintensiv), insgesamt laufen beide Packster aber recht zuverlässig. Ein paar Speichenbrüche und einmal ein Motorausfall (Kompletttausch auf Garantie nach 10.000km) waren zu beklagen.
Das Verdeck ist gelinde gesagt großer Sch...... Wir haben es angepasst, neue Reißverschlüsse eingenäht, flexible Spannvorrichtungen mit Clampcleats aus dem Segelzubehör gebastelt, jetzt passt es einigermaßen. es ist wind- und wasserdicht, die Kids fühlen sich wohl. Allerdings wird es wegen der knappen Innenlänge für lange Beine schnell unbequem. Unser Großer ist 7, für ihn ist es bei langen Fahrten schon sehr unbequem. Allerdings habe ich keine Erfahrung mit den neuen Sitzen, die R&M inzwischen anbietet. Die bisherige Sitzlehne (mit aufgeklebter Evazote) ist sehr steil, bequemes Schlafen kaum möglich: Kissen mitnehmen!
Reisegeschwindigkeiten: Mit Verdeck und zwei Kindern vorn drin sind 45km/h so gut wie nicht möglich. Der Windwiderstand ist zu groß, der Motor letztlich zu schlapp. In der Ebene ohne nennenswerten Wind sind dann 38-40km/h drin. Ohne Kinder und Verdeck sind die 44 (der Tacho eilt stark vor, man kann immer 2-3km/h abziehen) mit ordentlich Beinarbeit jedoch schon möglich. Um ein Training kommst du so oder so nicht drumherum.
Schnitte um die 30km/h überland sind drin, in der Stadt auf Grund der üblen Radinfrastruktur und der vielen Ampeln deutlich weniger.
Die Probefahrt hast du anscheinend mit der Nuvinci und Riemenantrieb gemacht. Die Kettenschaltungsversion (haben wir) ist spürbar schneller und effizienter unterwegs, erfordert aber auch mehr Wartung. Die Nuvinci hat einen recht schlechten Wirkungsgrad und das kostet Endgeschwindigkeit und Reichweite.
So, viel Text... Aber hast du dir schon mal das Load 75 angesehen? Ich weiß, das Teil ist unverschämt teuer, aber: das Verdeck ist im Vergleich zum dem des Packsters eine Offenbarung. Großer Innenraum, Schutz für die Hände des Fahrers, bessere Einstiegsöffnung und der Beinraum ist deutlich länger. Man kann mittels Option sogar drei Kinder mitnehmen (eines sitzt dann rückwärts).
Mein Fazit: S-Pedelec ja, unbedingt, wenn man ein Auto ersetzen will. Ohne Kindertransport ist das Packster als S-Pedelec eine Empfehlung. Ob das Packster hier das Optimum für den Kindertransport darstellt, ist fraglich.