Seit kurzem ist bei uns ein Billig-E-Bakfiets vom Typ Cangoo Groovy im Einsatz, das für den Transport von 3 Kindern plus etwas Gepäck zu zwei verschiedenen Kindergärten und für Einkäufe dienen soll. Keine Einzelstrecke ist länger als 2 km, insgesamt kommen pro Tag nicht mehr als 5-6 km zusammen. Wir haben zwar auch Autos, für solche Kurzstrecken sind Autos mit Verbrennungsmotor aber denkbar ungeeignet. In diesem Thread werde ich mal meine Erfahrungen kundtun, vielleicht sind für andere Besitzer oder Kaufinteressenten ein paar nützlich Infos dabei.
Der von uns aus nächstgelegene Händler mit E-Bakfietsen liegt 30 Autominuten entfernt in den Niederlanden. Er hat sich eigentlich auf die nachträgliche Elektrifizierung von Rädern jeder Art spezialisiert und arbeitet nebenher gebrauchte Bakfietsen auf, elektrifiziert sie und verkauft sie wieder, hat aber auch ein Modell ab Werk neu im Angebot, eben das besagte Cangoo Groovy. Und das sieht so aus:
Eine Probefahrt und dazu eine zum Vergleich mit einem gebrauchten Babboe Curve-E hat uns soweit überzeugt, dass wir zugeschlagen haben. Es war fahrstabiler als das Babboe und lag insgesamt irgenwie „satter“ auf der Straße. Motor und Antrieb sind gut aufeinander abgestimmt, der Motor ist kräftig und die Verarbeitung von Rahmen und Aufbau erschien mir ganz brauchbar. Der Preis kommt aber nicht von ungefähr, das muss einem beim Kauf natürlich bewusst sein, vor allem bei Schaltung und Bremsen.
Die verbaute Schaltung ist vermutlich die billigste von Shimano die es gibt, eine 6-Gang Tourney-Kettenschaltung. Immerhin ist die Übersetzung im Zusammenspiel mit dem E-Motor sehr sinnvoll gewählt. Im ersten kommt man mit voller E-Unterstützung jegliche Steigung hier in der Umgebung hoch und der 6. reicht bis ungefähr 30 km/h mit einer für die Sitzposition noch brauchbaren Trittfrequenz. In dem Bereich unterstützt der Motor eh nicht mehr und schneller sollte man mit dem Ding aus Sicherheitsgründen nicht fahren, da es konzeptbedingt bei höherem Tempo und zügigem Lenken umkippt. Ist mir zum Glück noch nicht passiert, ich war aber zu Beginn zweimal unfreiwillig auf 2 Rädern unterwegs. Das Fahrverhalten hat nichts mit einem Einspurrad zu tun, es erinnert mehr an Quadfahren. Das heißt man muss den Kurvenradius größer bemessen und darf nicht zu zackig einlenken, dazu muss man das Körpergewicht auf die Kurveninnenseite verlagern. Nach einigen Kilometern hat man den Dreh aber raus.
Zurück zum Preis, den man bezahlt, wenn man keinen hohen Preis bezahlt. Die wenig präzise Billigschaltung musste ich erst einmal penibel einstellen, damit die vernünftig funktioniert. Das ist jetzt OK. Die absolute Vollkatastrophe waren zu Beginn die Bremsen. Es sind vorne mechanische Scheibenbremsen von Tektro und hinten ein V-Brake von Promax verbaut, beides mit Promax-Bremshebeln kombiniert. Alles billiges Zeugs. Dazu kommt, dass das Rücklicht zwar elegant in den Akku integriert ist, aber vorne nur zwei billige Batterielampen angebracht sind. Man muss also um das Rad herumlaufen und 3 Knöpfe betätigen, um das Licht auszuschalten.
Der vordere Bremshebel war extrem schwer zu bedienen und die Bremse bremste nicht richtig. Dazu hat der Bremshebel eine Feststellbremsfunktion, die nicht funktioniert (wurde reklamiert). Der Bremshebel links wirkt gleichzeitig auf beide Vorderräder. Die hintere war leicht zu bedienen, aber bremste auch nicht richtig, zudem berührte ein Bremsarm das Schutzblech in Bremsstellung.
Bei beiden Bremsen hat der Hersteller einen Bremshebel für konventionelle Felgenbremsen (Cantilever, Seitenzug) kombiniert, obwohl beide einen Bremshebel für Direktzugbremsen brauchen. Letzlich habe ich aber am Markt bislang keine reinen Bremshebel für Direktzugbremsen gefunden, die eine Doppelbetätigung und Parkpremsfunktion haben.
Zunächst ging es an die vordere Scheibenbremse. Da die innen liegen musste ich erst einmal die Kiste auf Auffahrrampen fahren, denn 55 kg hebt man nicht mal eben hoch. Erst Auffälligkeit: Die Bremszüge müssen falsch verlaufen, sägten schon die Einstellmutter ein. Hm, wozu ist denn diese lange Nase an der Bremse? Die muss ja für irgend etwas gut sein. Alles gelöst, Bremszug über die Nase geführt - das sah sinnvoll aus! Eine Bildersuche im Netz brachte Gewissheit, ich hatte die richtige Zugführung gefunden. Dann fand ich die Ursache für die schwergängige Bremse auf der linken Seite: Der Bremszug war so stark gespannt, dass der innere Belag schon an der Bremse anlag. Dazu kam eine leicht verzogene Bremsscheibe und die Tatsache, dass der einstellbare äußere Kolben viel zu weit herausgedreht war. Man hatte dadurch beim Bremsen sofort die Scheibe verbogen und der äußere Belag brauchte seine Zeit bis er anlag. Also Zug mit weniger Vorspannung verlegt und den größeren Leerweg dadurch kompensiert, dass der äußere Belag in der Grundeinstellung weiter nach innen gedreht wurde. Jetzt lief die Scheibe mittig im Sattel und der Hebel ließ sich ausreichend leicht bedienen.
Probefahrt: Krass! So viel Biss hatte ich der Scheibe gar nicht zugetraut. Die Dosierbarkeit ist allerdings schlecht, außerdem neigt der Vorderbau zum hin- und herziehen während des Bremsvorgangs. Ich führe das Verhalten auf den ungeeigneten Bremshebel zurück. Vielleicht rüste ich hier mittelfristig auf hydraulische Scheiben um.
Hinten habe ich gebrauchte V-Brake-Bremsarme einer Deore XT mit Parallelogramm besorgt und mit Kool Stop-Bremsbelägen bestückt. Dazu habe ich mir bei Rose einen Übersetzungsmechanismus gekauft, mit dem man das Ganze an einen konventionellen Bremshebel koppeln kann. Das wird in Kürze verbaut, ich brauche noch einen langen Bremszug und ein langes Stück Zughülle, weil ich die Zugführung ändern muss. Ich hoffe das funktioniert dann vernünftig.
Zum Antrieb. Für ein Pedelec ist ja nur eine Dauerleistung von 250 Watt und eine Unterstützung bis 25 km/h zulässig. Die Anzeige im "Cockpit", die auch die momentane Leistungsabgabe anzeigt, hat mir mal über ca. 300 Meter Strecke knapp 500 Watt angezeigt, als ich mich in der höchsten Stufe mit 21-23 km/h eine Steigung hochdrücken ließ.
Ansonsten klappert die klappbare Bank vorne wie Hölle, was man mit selbstklebenden Gummipuffern aber in den Griff bekommen sollte. Die Befestigung der Bank selbst ist unzureichend. Erst fiel die Sitzplatte von den simplen Winkeln, die die Bank in der Kiste halten, dann ist die Bank samt Winkeln abgefallen, wobei die Hutmuttern außen auf Nimmerwiedersehen irgendwo auf der Straße liegen. Ich einen ganzen Schwung Hutmuttern besorgt und werde die beiden an der Bank mit Gewindesicherung aufschrauben.
Fazit nach nach den ersten 100 km: Wer ein großes Bakfiets möchte das gut funktioniert, wenig Wartung erfordert und wer kein Schrauber ist, der sollte vielleicht besser mehr Geld in die Hand nehmen und ein wertigeres Modell kaufen. Wer wie ich aber durchaus seinen Spaß am Schrauben, Optimieren und Instandhalten hat, der kann sowas kaufen. Die Dinge, die man nicht ohne Weiteres beeinflussen kann, wie den elektrischen Antrieb und das Fahrverhalten, sind OK. Ich mache mir trotzdem ein wenig Sorgen um die Langzeitqualität. Wir fahren allerdings nur Kurzstrecken mit dem Ding, für ausgedehntere Radtouren haben wir einen Kindersitz (passendes Trägerfahrzeug ist in Arbeit, da Standardbefestigung nervt…) sowie einen Wehoo iGo Two Fahrradanhänger.
Kleines Detail am Rande was meinen auf Elektro-Umrüstungen spezialisierten Händler betrifft: Sollte der Akku mal defekt sein, dann muss ich nicht einfach einen neuen für 400 Euro kaufen, sondern er repariert ihn, d.h. er tauscht im vorhandenen Gehäuse lediglich die Zellen aus. Macht "nur" 250 Euro. Dann hat man bei Bedarf sogar die Möglichkeit, gegen Aufpreis die Kapazität erhöhen zu lassen.
Der von uns aus nächstgelegene Händler mit E-Bakfietsen liegt 30 Autominuten entfernt in den Niederlanden. Er hat sich eigentlich auf die nachträgliche Elektrifizierung von Rädern jeder Art spezialisiert und arbeitet nebenher gebrauchte Bakfietsen auf, elektrifiziert sie und verkauft sie wieder, hat aber auch ein Modell ab Werk neu im Angebot, eben das besagte Cangoo Groovy. Und das sieht so aus:
Eine Probefahrt und dazu eine zum Vergleich mit einem gebrauchten Babboe Curve-E hat uns soweit überzeugt, dass wir zugeschlagen haben. Es war fahrstabiler als das Babboe und lag insgesamt irgenwie „satter“ auf der Straße. Motor und Antrieb sind gut aufeinander abgestimmt, der Motor ist kräftig und die Verarbeitung von Rahmen und Aufbau erschien mir ganz brauchbar. Der Preis kommt aber nicht von ungefähr, das muss einem beim Kauf natürlich bewusst sein, vor allem bei Schaltung und Bremsen.
Die verbaute Schaltung ist vermutlich die billigste von Shimano die es gibt, eine 6-Gang Tourney-Kettenschaltung. Immerhin ist die Übersetzung im Zusammenspiel mit dem E-Motor sehr sinnvoll gewählt. Im ersten kommt man mit voller E-Unterstützung jegliche Steigung hier in der Umgebung hoch und der 6. reicht bis ungefähr 30 km/h mit einer für die Sitzposition noch brauchbaren Trittfrequenz. In dem Bereich unterstützt der Motor eh nicht mehr und schneller sollte man mit dem Ding aus Sicherheitsgründen nicht fahren, da es konzeptbedingt bei höherem Tempo und zügigem Lenken umkippt. Ist mir zum Glück noch nicht passiert, ich war aber zu Beginn zweimal unfreiwillig auf 2 Rädern unterwegs. Das Fahrverhalten hat nichts mit einem Einspurrad zu tun, es erinnert mehr an Quadfahren. Das heißt man muss den Kurvenradius größer bemessen und darf nicht zu zackig einlenken, dazu muss man das Körpergewicht auf die Kurveninnenseite verlagern. Nach einigen Kilometern hat man den Dreh aber raus.
Zurück zum Preis, den man bezahlt, wenn man keinen hohen Preis bezahlt. Die wenig präzise Billigschaltung musste ich erst einmal penibel einstellen, damit die vernünftig funktioniert. Das ist jetzt OK. Die absolute Vollkatastrophe waren zu Beginn die Bremsen. Es sind vorne mechanische Scheibenbremsen von Tektro und hinten ein V-Brake von Promax verbaut, beides mit Promax-Bremshebeln kombiniert. Alles billiges Zeugs. Dazu kommt, dass das Rücklicht zwar elegant in den Akku integriert ist, aber vorne nur zwei billige Batterielampen angebracht sind. Man muss also um das Rad herumlaufen und 3 Knöpfe betätigen, um das Licht auszuschalten.
Der vordere Bremshebel war extrem schwer zu bedienen und die Bremse bremste nicht richtig. Dazu hat der Bremshebel eine Feststellbremsfunktion, die nicht funktioniert (wurde reklamiert). Der Bremshebel links wirkt gleichzeitig auf beide Vorderräder. Die hintere war leicht zu bedienen, aber bremste auch nicht richtig, zudem berührte ein Bremsarm das Schutzblech in Bremsstellung.
Bei beiden Bremsen hat der Hersteller einen Bremshebel für konventionelle Felgenbremsen (Cantilever, Seitenzug) kombiniert, obwohl beide einen Bremshebel für Direktzugbremsen brauchen. Letzlich habe ich aber am Markt bislang keine reinen Bremshebel für Direktzugbremsen gefunden, die eine Doppelbetätigung und Parkpremsfunktion haben.
Zunächst ging es an die vordere Scheibenbremse. Da die innen liegen musste ich erst einmal die Kiste auf Auffahrrampen fahren, denn 55 kg hebt man nicht mal eben hoch. Erst Auffälligkeit: Die Bremszüge müssen falsch verlaufen, sägten schon die Einstellmutter ein. Hm, wozu ist denn diese lange Nase an der Bremse? Die muss ja für irgend etwas gut sein. Alles gelöst, Bremszug über die Nase geführt - das sah sinnvoll aus! Eine Bildersuche im Netz brachte Gewissheit, ich hatte die richtige Zugführung gefunden. Dann fand ich die Ursache für die schwergängige Bremse auf der linken Seite: Der Bremszug war so stark gespannt, dass der innere Belag schon an der Bremse anlag. Dazu kam eine leicht verzogene Bremsscheibe und die Tatsache, dass der einstellbare äußere Kolben viel zu weit herausgedreht war. Man hatte dadurch beim Bremsen sofort die Scheibe verbogen und der äußere Belag brauchte seine Zeit bis er anlag. Also Zug mit weniger Vorspannung verlegt und den größeren Leerweg dadurch kompensiert, dass der äußere Belag in der Grundeinstellung weiter nach innen gedreht wurde. Jetzt lief die Scheibe mittig im Sattel und der Hebel ließ sich ausreichend leicht bedienen.
Probefahrt: Krass! So viel Biss hatte ich der Scheibe gar nicht zugetraut. Die Dosierbarkeit ist allerdings schlecht, außerdem neigt der Vorderbau zum hin- und herziehen während des Bremsvorgangs. Ich führe das Verhalten auf den ungeeigneten Bremshebel zurück. Vielleicht rüste ich hier mittelfristig auf hydraulische Scheiben um.
Hinten habe ich gebrauchte V-Brake-Bremsarme einer Deore XT mit Parallelogramm besorgt und mit Kool Stop-Bremsbelägen bestückt. Dazu habe ich mir bei Rose einen Übersetzungsmechanismus gekauft, mit dem man das Ganze an einen konventionellen Bremshebel koppeln kann. Das wird in Kürze verbaut, ich brauche noch einen langen Bremszug und ein langes Stück Zughülle, weil ich die Zugführung ändern muss. Ich hoffe das funktioniert dann vernünftig.
Zum Antrieb. Für ein Pedelec ist ja nur eine Dauerleistung von 250 Watt und eine Unterstützung bis 25 km/h zulässig. Die Anzeige im "Cockpit", die auch die momentane Leistungsabgabe anzeigt, hat mir mal über ca. 300 Meter Strecke knapp 500 Watt angezeigt, als ich mich in der höchsten Stufe mit 21-23 km/h eine Steigung hochdrücken ließ.
Ansonsten klappert die klappbare Bank vorne wie Hölle, was man mit selbstklebenden Gummipuffern aber in den Griff bekommen sollte. Die Befestigung der Bank selbst ist unzureichend. Erst fiel die Sitzplatte von den simplen Winkeln, die die Bank in der Kiste halten, dann ist die Bank samt Winkeln abgefallen, wobei die Hutmuttern außen auf Nimmerwiedersehen irgendwo auf der Straße liegen. Ich einen ganzen Schwung Hutmuttern besorgt und werde die beiden an der Bank mit Gewindesicherung aufschrauben.
Fazit nach nach den ersten 100 km: Wer ein großes Bakfiets möchte das gut funktioniert, wenig Wartung erfordert und wer kein Schrauber ist, der sollte vielleicht besser mehr Geld in die Hand nehmen und ein wertigeres Modell kaufen. Wer wie ich aber durchaus seinen Spaß am Schrauben, Optimieren und Instandhalten hat, der kann sowas kaufen. Die Dinge, die man nicht ohne Weiteres beeinflussen kann, wie den elektrischen Antrieb und das Fahrverhalten, sind OK. Ich mache mir trotzdem ein wenig Sorgen um die Langzeitqualität. Wir fahren allerdings nur Kurzstrecken mit dem Ding, für ausgedehntere Radtouren haben wir einen Kindersitz (passendes Trägerfahrzeug ist in Arbeit, da Standardbefestigung nervt…) sowie einen Wehoo iGo Two Fahrradanhänger.
Kleines Detail am Rande was meinen auf Elektro-Umrüstungen spezialisierten Händler betrifft: Sollte der Akku mal defekt sein, dann muss ich nicht einfach einen neuen für 400 Euro kaufen, sondern er repariert ihn, d.h. er tauscht im vorhandenen Gehäuse lediglich die Zellen aus. Macht "nur" 250 Euro. Dann hat man bei Bedarf sogar die Möglichkeit, gegen Aufpreis die Kapazität erhöhen zu lassen.