Diesen Thread hole ich jetzt mal aus der Versenkung, weil ich gestern an einem Bullitt ab 26,5 km/h starkes Lenkerflattern hatte.
Wer es schnell braucht - ganz unten weiter lesen.
#Klugscheißeralarm:
Die Basics
- Der Steuerkopf muss richtig eingestellt sein - spielfrei und *nicht* schwergängig, geprüft mit ausgehängtem Lenkgestänge.
- Biegeschwingungen am Gestänge kommen als Ursache eher nicht in Frage (falsche Resonanzfrequenz)
- Aufschaukeln von schwingungsfähigen Systemen ist immer Energiezufuhr in Resonanznähe - das nennt man "Erregung"
Technisch gesprochen handelt es sich bei einer Zweiradlenkung um einen weich aufgehängten Drehschwinger (Gabel, Rad, Gestänge, Lenker).
Die Rückstellkraft (Federkomponente) kommt aus dem sog. Nachlauf: Der Reifenaufstandspunkt liegt einige Zentimeter hinter dem Punkt, an dem die Lenkachse die Fahrbahnoberfläche durchstößt. Sobald das Fahrzeug sich vorwärts bewegt, wird das Rad in Fahrtrichtung gedreht.
Wäre es anders, dann fiele man sofort auf die Nase (bei Youtube gibt es das als Experiment).
Für den Inschenjör: Schwingungsdifferentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten und periodischem Störterm.
Der Energieeintrag kommt zu Stande, wenn die Rückstellkraft nicht in der Mitte auf Null geht, sondern aus irgendeinem Grunde hin und her wandert (periodische Erregung). Motorradfahrer behelfen sich bekanntlich mit einem Lenkungsdämpfer, der das Aufschaukeln verhindert.
Das ist aber Kurieren an den Symptomen und behebt die Ursache nicht.
Versierte Solofahrer (Motorrad) können prüfen, ob es im kritischen Bereich zum Aufschaukeln kommt: Freihändig 70-80 fahren und dann das Lenkerende anschubsen. Das auftretende Pendeln muss schnell abklingen. Schaukelt es sich auf, wird es Zeit für einen neuen Vorderreifen.
Unter Gespannfahrern sind Pendeleien an geschobenen Schwingen und Telegabeln berüchtigt, hier geht nichts ohne Lenkungsdämpfer.
Der Grund ist die verbreitete Mode, Autoreifen mit eckigem Querschnitt auf dem Vorderrad für sinnvoll zu halten. Probiert man mal einen nicht zu sehr abgefahrenen Motorradreifen, stellt sich verblüffenderweise hervorragender Geradeauslauf ein, sogar ganz ohne Dämpfer
Die Ursache ist der unter dem eckigen Reifenquerschnitt bei leichtesten Störungen der Fahrbahnoberfläche - wie Spurrillen - in Querrichtung wandernde Reifenaufstandspunkt. Plötzlich gibt es da eine Kraft, die aus der Geradeausrichtung weg lenkt, dann schlägt die Rückstellkraft zu, hinter der Mittellage widerholt sich das Spiel auf der anderen Seite in Gegenrichtung ... voila: die Fuhre schaukelt sich auf.
Mit einer zur Fahrtrichtung deutlich geneigten Lenkachse (der Standard Zweiradgeometrie) *muss* der Reifenquerschnitt rund sein, sonst pendelt es um die Lenkachse.
#Klugscheißeralarm Ende.
Ursache in meinem Fall: Ein sehr breiter Vorderreifen (Schwalbe Big Apple 2.15") mit deutlich zu geringem Luftdruck (1,8 bar).
Kompressor an, 4 bar rein - und buchstäblich weggeblasen ist das Pendeln.