1 Lenkstange vs 2 Lenkstangen

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Hallo zusammen,
nicht weltbewegend, aber weiß hier jemand zufällig, warum manche (die meisten) Hersteller von Lastenrädern des Typs Long John nur eine Lenkstange verbauen, andere dagegen zwei? Mit zwei Lenkstangen kenne ich bisher nur das Sigo (Lastenleihrad) und das Vogue Carry 2. Trauen die ihren Lenkstangen nicht? Oder legen sie die auf Zugkräfte, nicht aber auf Druck aus?
Viele Grüße
paschda
 
Ich kenne 2 Lenkstangen nur von günstigen Rahmenkonstruktionen und ich vermute, es soll ein pendeln durch Flex im Rahmen oder der Lenkstange anfangen oder mildern.
 
Das De Fietsfabriek 2-Rad hat auch 2 Lenkstangen, warum habe ich mich auch gefragt, was auffällt ist, dass der Lenkeinschlag im Vergleich zum Bakfiets von Van andel größer ist und damit das Rangieren sehr leicht ist.
 
Ich denke, der Grund ist recht banal: 2 Lenkstangen kosten doppelt so viel wie eine Lenkstange, ohne dass man das werbewirksam vermarkten könnte.
 
weiß hier jemand zufällig, warum manche (die meisten) Hersteller von Lastenrädern des Typs Long John nur eine Lenkstange verbauen
Hallo Paschda!

Ich krame mal technisches Halbwissen hervor. Bei doppelter Auslegung der Lenkstangen handelt es sich um ein so genanntes geometrisch überdefiniertes System, gleichbedeutend mit einem geometrisch undefinierten. Solche doppelten (oder gar dreifachen) Auslegungen kennt man aus Sicherheits-relevanten Bereichen, beispielsweise im Flugzeugbau. Allerdings bestehen immer dann wesentliche Nachteile, wenn das System nicht 100% symmetrisch läuft. Wobei die unterschiedlichen Kurvenradien, die an den Gelenken von Lenkstangen beiderseits beschrieben werden bereits ein problematisches Ungleichgewicht von Zug- und Druckbelastung erzeugen können. Wenn man diesem doppelt ausgelegten System das Spiel nimmt (es "eng" stellt), dann steigt irgendwo der Druck. Nimmt man den Druck raus, dann steigt das Spiel. So oder so ergibt sich bezüglich Lenkeigenschaften oder Materialbelastungen ein ungünstiges Verhältnis (ganz abgesehen von Mehrgewicht und Mehrkosten). Eigentlich sollte man das also nicht machen oder aber nur, wenn man der einen Lenkstange nicht vertraut (und dann sollte man diese eine lieber verbessern). Natürlich resultiert aus dem Gedanken auch, dass man die eine Lenkstange gerne öfters mal anschauen und pflegen sollte (inkludiert die Gelenke), eben, um den (kleinen) Nachteil bezüglich Ausfalls-Sicherheit durch eine vorausschauende Wartung auszugleichen (auch wieder wie in der Luftfahrt).

Bei Seilzuglenkungen verhält es sich deswegen anders, weil das Lenkseil nicht gleichermassen gut auf Zug und Druckbelastung ausgelegt ist (eigentlich nur gut auf Zug - siehe Funktion von Brems- und Schaltseilen) und daher eine beiderseitige Führung Not tut. Die oft praktizierte doppelte Auslegung der Züge je Seite ist ein zusätzliches Sicherheits-feature (gegen Seilriss), welches aber durch mehr Trägheit im System erkauft wird. Das merkt man auch, wie ich finde, ganz deutlich bei Probefahrten: Seilzuglenkungen sind für Stangenlenkungs-gewohnte Fahrer erst einmal gefühlt schwergängig, weil reibungsreicher.

Viele Grüße!
Manuel
 
Bei doppelter Auslegung der Lenkstangen handelt es sich um ein so genanntes geometrisch überdefiniertes System, gleichbedeutend mit einem geometrisch undefinierten. Solche doppelten (oder gar dreifachen) Auslegungen kennt man aus Sicherheits-relevanten Bereichen, beispielsweise im Flugzeugbau. Allerdings bestehen immer dann wesentliche Nachteile, wenn das System nicht 100% symmetrisch läuft. Wobei die unterschiedlichen Kurvenradien, die an den Gelenken von Lenkstangen beiderseits beschrieben werden bereits ein problematisches Ungleichgewicht von Zug- und Druckbelastung erzeugen können. Wenn man diesem doppelt ausgelegten System das Spiel nimmt (es "eng" stellt), dann steigt irgendwo der Druck. Nimmt man den Druck raus, dann steigt das Spiel. So oder so ergibt sich bezüglich Lenkeigenschaften oder Materialbelastungen ein ungünstiges Verhältnis (ganz abgesehen von Mehrgewicht und Mehrkosten). Eigentlich sollte man das also nicht machen oder aber nur, wenn man der einen Lenkstange nicht vertraut (und dann sollte man diese eine lieber verbessern). Natürlich resultiert aus dem Gedanken auch, dass man die eine Lenkstange gerne öfters mal anschauen und pflegen sollte (inkludiert die Gelenke), eben, um den (kleinen) Nachteil bezüglich Ausfalls-Sicherheit durch eine vorausschauende Wartung auszugleichen (auch wieder wie in der Luftfahrt).

Hi Manuel,
Danke für deine ausführliche Antwort!

Mir ist inzwischen noch aufgefallen, dass die doppelten Lenkstangen den Wendekreis negativ beeinflussen dürften:

Zumindest wenn man die Bauteile (Rahmen, Lenkstangen, ...) als starr (unendlich steif) annimmt, dann ist eine zweifache Lenkstange nur möglich, wenn die beiden Lenkstangen geometrisch parallel verlaufen (ergibt in der Draufsicht ein Parallelogramm). Sobald eine Lenkstange mit unterschiedlichen Hebelarmen an Lenkerstange und Gabel angreift, würde sich bei symmetrischem Hinzufügen einer zweiten Lenkstange dagegen ein Trapez ergeben. Ein Lenkeinschlag wäre dann nur noch möglich bei Verformung des Systems.
Zunächst folgt daraus erstmal nur, dass man Lenkereinschlag und Vorderradeinschlag bei einer zweifachen Lenkstange nicht übersetzen kann. Sobald man den Lenkereinschlag limitiert, reduziert man aber durch den Verzicht auf eine Übersetzung den maximalen Einschlag des Vorderrads. Der minimale Wendekreisdurchmesser ist dann größer.
Tatsächlich verlaufen die beiden Lenkstangen des Vogue Carry 2 geometrisch parallel, die einzelne Lenkstange des Bakfiets CargoBike verläuft leicht schräg (kleinerer Hebelarm an der Gabel-, größerer Hebelarm an der Lenkerseite). Für den gleichen Einschlag des Vorderrads muss der Lenker des Bakfiets weniger weit eingeschlagen werden als der für das Vogue.
 
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