Nötige lichte Weiten für Wendekreise auf Rampen (bei Brücken und Unterführungen)?

R

ralph

Guest
Hi,

ich bin im lokalen ADFC aktiv und werde hin und wieder nach Anforderungen für Infrastruktur gefragt, wenn sie Lastenrad-kompatibel sein soll. Dabei erscheinen mir vor allem Rampen und Kehren an Brücken und Unterführungen als kritisch. Gibt es dazu Normen oder Erfahrungswerte? Welchen Mindestdurchmesser sollte eine 180°-Kehre zwischen zwei Geländern haben, damit sie mit den "meisten gängigen" Lastenrädern ohne Zurücksetzen befahrbar ist? Welche lichte Weite sollten die einzelnen Schenkel einer solchen Rampe haben?

Die in https://www.cargobikeforum.de/forum/index.php?threads/messwerte-zu-wendekreisen.1823/ genannten Maße für ein Bullitt sind wohl eher das absolute Minimum und durch Aufbauten und Fahrkönnen zusätzlich beschränkt.

Ja, mir ist klar, dass sich der Markt in den letzten Jahren diversifiziert hat und Lastenräder inzwischen ein großes Spektrum an Bauformen, Maßen und Aufbauten haben. Trotzdem fände ich es gut, Maße nennen zu können, mit denen zumindest 90-95% der Lastenräder klarkommen.

Danke und viele Grüße!
 
Um Kurven kommt man schon irgendwie rum. Was aber gar nicht geht (häufig wirklich im Wortsinne gar nicht) sind Drängelgitter. Hier sind die manchmal an Überführungen aufgestellt, vermutlich um ein direktes »Herausschießen« auf die Fahrbahn zu vermeiden. Mit dem Bullitt kommt man meistens gerade so noch durch, aber mit weniger kompakten Fahrrädern ist man aufgeschmissen.

t.
 
Wendekreis des Packster 80 ist 5,2m. Das ist vermutlich einer der größten Wendekreise. Also mindestens 6m, damit auch ungeübte FahrerInnen eine Chance haben und man den Spaziergänger am Wegesrand nicht erwischt.
Wichtig ist auch, dass man bei Spitzkehren die andere Seite einsehen kann, also kein hohes Gebüsch oder so die Sicht versperrt.
 
Hi, spannend! Wie genau ist der Kreis gemessen? Reales Außenmaß des Rades oder - wie im verlinkten Thread - Durchmesser der Vorderradspur?
Keine Ahnung, hab's nur ergoogelt. Da der Einschlag bei den Stangenlenkungen auch nicht identisch ist in beide Richtungen, muss man da dann auch noch unterscheiden.
 
Keine Ahnung, hab's nur ergoogelt. Da der Einschlag bei den Stangenlenkungen auch nicht identisch ist in beide Richtungen, muss man da dann auch noch unterscheiden.

Neee, muss man nicht unterscheiden, man nimmt einfach den größeren der beiden Kreise :)
 
Wobei es natürlich einfacher ist, den Radius der Vorderradspur zu messen, diese Idee kam mir gerade, als ich mit dem Bullitt über nasse Straße durch eine trockene Tordurchfahrt gefahren bin. Da lässt es sich mit dem nassen Reifenabdruck einfach messen.

Wäre mal eine Aktion für den etwas wärmeren Frühling, einen nassen Teppich auslegen und dann alle möglichen Lastenräder eine Wende (oder heißt das Halse?) fahren lassen.

Zumal ja auch die Aufbauten den absoluten 180° Radius immer verändern. Aber dann hätte man schon mal Werte für das "Grundrad".
 
Wobei es natürlich einfacher ist, den Radius der Vorderradspur zu messen, diese Idee kam mir gerade, als ich mit dem Bullitt über nasse Straße durch eine trockene Tordurchfahrt gefahren bin. Da lässt es sich mit dem nassen Reifenabdruck einfach messen.

Klar! Ein solcher Wert wurde im verlinkten Thread schon mal gemessen, Ergebnis war 4,05 und 4,80 m. Miss doch mal nach und berichte, vielleicht kommst du auch auf andere Werte. Wobei mich dann der Durchmesser des inneren Kreises (Hinterrad) auch noch interessieren würde, um eine Vorstellung von der Schleppkurve zu bekommen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Wobei mich dann der Durchmesser des inneren Kreises (Hinterrad) auch noch interessieren würde, um eine Vorstellung von der Schleppkurve zu bekommen.
Sofern man das Lastenrad zur Hand hat, ist Messen vermutlich einfacher. Aber den Wendekreisradius des Hinterrades kannst du auch errechnen, wenn du den Wendekreisradius der Vorderrads sowie den Abstand der Aufstandspunkte der beiden Räder kennst (unter der Annahme, dass das Rad aufrecht, nicht zur Seite geneigt war).
 
Bakfiets CargoBike Long Steps:
Wendekreisdurchmesser Hinterrad (gemessen): ca. 260cm
Wendekreisdurchmesser Vorderrad (errechnet): ca. 470cm

Vogue
Carry 2:
Wendekreisdurchmesser Hinterrad (gemessen): ca. 620cm
Wendekreisdurchmesser Vorderrad (errechnet): ca. 730cm

(alle Wendekreise waren Linkskurven und die Lastenräder wurden aufrecht geschoben)


Welche Radien gefahren werden können, hängt aber meiner Erfahrung nach sehr vom Fahrer ab.
 
Weiters relevante Gesichtspunkte:
Steigung der Rampe, Auslauf davor und danach, möglicher Gegenverkehr ja/nein, Fußgänger auch noch dabei, Anzahl der Richtungsänderungen hintereinander, Einsehbarkeit wurde schon genannt...

https://goo.gl/maps/78ePYEAxxyP7tWQdA bzw. 47.05631762408481, 15.431976017526614
Mit Google Street View (Bild evtl. nach Osten drehen) sieht man an dieser Stelle meine "Lieblingsrampe" unter einer Eisenbahnbrücke und dann parallel zu dieser über einen Mühlgang. Dahinter geht's dann gleich wieder 90° nach links zurück und nochmals unter der Eisenbahn durch...

Das geht mit meinem LongJohn-Rad gerade noch so zu derfahren, aber nur ohne Fußgänger und Gegenverkehr. Real ist es eigentlich eine Zumutung (zuerst schlecht einsehbare Hauptstraße mit Straßenbahn queren, direkt rein und 90° ums Eck, bergauf, gleich wieder ein Eck, wegen der Plakatwand kein Gegenverkehr sichtbar usw...
 
Servus Ralph,

aus der Praxis: am neuen Arnulfsteg in München kann man erkennen, dass von Planungsbeginn vor langer Zeit, Baubeginn in 2017 und "Übergabe an die Bürger" das Thema Lastenrad vermutlich gar nicht groß beachtet wurde, da es noch nicht so Thema war.
Besonders die südliche Rampe zur Brücke ist hier echt ein Problem, denn da kommt man mit der Auffahrt in eine sehr scharfe Rechtskurve, die man innen gar nicht so fahren kann, dass man nicht in die Gegenspur kommt. Da hier quasi eine Drehung gemacht wird kommen die "Abfahrer" somit aus dem Rücken und sind auch über einem. Dann noch entsprechen die Geländer dazu und schon sieht man nicht viel.
Alleine mit einem einspurigem Lastenesel wird das jedes mal spannend!
Die nördliche Rampe ist in einem Kreisel, wie man ihn evtl. von Parkhäusern kennt, was besser geht.
Dazu kommt dann aber auch noch der sonstige Fußgängerverkehr, denn nicht jeder nutzt Treppen oder gar die Aufzüge an den beiden Enden der Brücke.
So ganz habe ich mich mit der Brücke noch nicht angefreundet! Highlights waren unter anderem (nicht vergessen, die Brücke ist neu und lädt zum Ausflug ein) Personen, die Fotos gemacht haben und ihre Räder genau in der Kurve abgestellt haben und dann da auch schön posiert haben für das Bild oder aber auch die Dame mit dem Golden Retriever an der sehr langen Leine.... der Goldie konnte nichts dafür, dass Frauchen beim Gehen die ganze Rampe in Anspruch nahm, weil das Handy wichtiger war. Gut, dass beim Kargon die Bremsen gut passen und man selber ja auch Hunde hatte.

Von welcher Brücke spreche ich?
Hier mal ein Link zum Bayern Atlas, wo man die Brücke und die Rampen im Bau sehen kann, die Engstelle schon sehr gut sichtbar ist:
Und auf dem Stadtportal von München ist ein Bericht mit einem Bild der südlichen Auffahrt: https://www.muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/orte/1349148.html
Bei Bedarf gibt es weitere Fotos hier: https://www.deutsches-architekturfo...loewenfeld-str-fertiggestellt-2020/?pageNo=11

Ich hoffe, es ist zu erkennen, was ich meine.

Ich habe beim Kargon / Cargofactory noch nie den Wendekreis gemessen und ich denke, dass die Auffahrt auch innerhalb der Maße liegt. Nur es gibt ja noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen und das kommt in dem Beispiel alles zum Einfluss um etwas unangenehmer / unpraktikabel zu machen und dabei auch noch ein Risiko für Unfälle erzeugt (Beispiel allgemein: Fahrradfahrer fährt die Rampe rauf und von oben kommt ein Kind auf einem Rad, das kann man nicht sehen; und Kinder fahren nicht immer nur auf der "richtigen" Seite)

Grüße
Boxi
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch die Steigung der Rampen spielt eine Rolle! Hier in Würzburg gibt es eine, auf der setzt man mit einem LongJohn am Ende auf und für ein Dreirad meist zu schmal!
 
Auch die Steigung der Rampen spielt eine Rolle! Hier in Würzburg gibt es eine, auf der setzt man mit einem LongJohn am Ende auf und für ein Dreirad meist zu schmal!

Aufsetzen ist natürlich doof. Wo liegt denn die Grenze bei Steigungen, die bei "normalen" Lastenrädern unter "normalen" Bedingungen noch machbar sein sollten, ohne E? Es geht mir eben darum, hier konkrete Werte nennen zu können.
 
Wo liegt denn die Grenze bei Steigungen, die bei "normalen" Lastenrädern unter "normalen" Bedingungen noch machbar sein sollten, ohne E? Es geht mir eben darum, hier konkrete Werte nennen zu können.
Das hängt mMn neben weiteren Faktoren ganz stark von der Entfaltung im kleinsten Gang und vom Fahrer ab. - Und von der Länge der Steigungsstrecke.
Sobald man keinen Schwung für die ganze Steigungsstrecke nehmen kann, werden 5% Steigung da häufig schon zu viel sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das hängt mMn neben weiteren Faktoren ganz stark von der Entfaltung im kleinsten Gang und vom Fahrer ab. - Und von der Länge der Steigungsstrecke.
Sobald man keinen Schwung für die ganze Steigungsstrecke nehmen kann, werden 5% Steigung da häufig schon zu viel sein.
...und damit auch von der anschließenden Wegeführung und der Breite der Kurven. Wenn ich schon halb im Stand um die Ecke zirkeln muss um überhaupt auf die Rampe zu kommen, muss ich die Steigung quasi aus dem Stand heraus schaffen. Mit beladenem Rad ohne Motor und Berggang eine ziemliche Aufgabe!


Ein weiterer wichtiger Punkt bei der lastenradfreundlichen Gestaltung ist eine möglichst ebene Bodenfläche über zumindest eine LongJohn-Länge an allen Stellen, an denen angehalten werden muss.
Die Fläche kann durchaus geneigt sein aber sie soll keine Mulde bilden! Das Problem, auf das ich oft stoße ist, dass man mit dem Vorderrad schon über irgendein Rigol oder sonstiges Randgerinne, manchmal auch schlicht auf die waagerechte Fläche im Anschluss einer Rampe fahren muss, um überhaupt den Querverkehr einsehen zu können. Ergebnis des langen Radstandes ist dann das Gegenteil des Aufsetzens: Man kommt (immer wieder unerwartet) nicht mehr mit dem Fuss zum Boden runter, die schwere Fuhre kommt ins Kippen und man muss (hoffentlich rechtzeitig) abspringen um das Ding noch zu derhalten.
Das ist nebenbei bemerkt einer der wenigen Fälle, wo ich glaube, dass sich zierliche Menschen mit einem Dreirad leichter tun.
 
Wo liegt denn die Grenze bei Steigungen, die bei "normalen" Lastenrädern unter "normalen" Bedingungen noch machbar sein sollten, ohne E? Es geht mir eben darum, hier konkrete Werte nennen zu können.
Eine obere Grenze für die maximale Steigung kann man recht leicht abschätzen:

Wenn kein Schwung genutzt wird, die Geschwindigkeit auf der Steigungsstrecke also gehalten werden soll, dann muss die an der Kurbel verrichtete Arbeit so groß sein wie der Gewinn an potentieller Energie (bzw. größer sein bei einem Wirkungsgrad kleiner 1):

W: maximal verrichtete Arbeit bei 1 Kurbelumdrehung
E_pot: gewonnene potentielle Energie bei 1 Kurbelumdrehung
eta: Wirkungsgrad

W * eta = E_pot

m_Rad: Masse des leeren Lastenrads
m_Fahrer: Masse des Fahrers
m_Ladung: Masse der Ladung
m_gesamt = (m_Rad + m_Fahrer + m_Ladung)
g: Erdbeschleunigung
delta_h: gewonnene Höhe bei 1 Kurbelumdrehung

E_pot = m_gesamt * g * delta_h

e: Entfaltung im kleinsten Gang (zurückgelegter Weg bei 1 Kurbelumdrehung)
max_Steigung: größte Steigung, die mit konstanter Geschwindigkeit befahren werden kann
delta_h ~= e * max_Steigung

E_pot = m_gesamt * g * e * max_Steigung

L_Kurbel: Tretkurbellänge
Annahme: Fahrer stellt sich mit seinem ganzen Gewicht auf das Pedal (= maximale Kraft), hat keine Klickpedale, zieht nicht am Lenker
--> verrichtete Arbeit bei einer halben Kurbelumdrehung (Pedal bewegt sich von ganz oben nach ganz unten): m_Fahrer * g * 2 * L_Kurbel
--> Faktor 2 für ganze Kurbelumdrehung:

W = 2 * (m_Fahrer * g * 2 * L_Kurbel)
W = 4 * m_Fahrer * g * L_Kurbel

Einsetzen in W * eta = E_pot:

4 * m_Fahrer * g * L_Kurbel * eta = m_gesamt * g * e * max_Steigung

Umstellen nach der Steigung:

max_Steigung = 4 * eta * (m_Fahrer / m_gesamt) * (L_Kurbel / e)


Jetzt kann man Werte von konkreten Beispielen einsetzen, z.B.:

eta = 80% (Schätzung, manche Nabenschaltungen haben im niedrigsten Gang bereits diese Verluste)

m_Rad = 60kg . . . (Bakfiets CargoBike Long, Babboe City, ...)
m_Fahrer = 50kg
m_Ladung = 50kg . . . (zwei Kinder plus Einkauf)
m_gesamt = 160kg

L_Kurbel = 170mm

Die Entfaltung kann man messen oder ausrechnen:
n_p = 2 . . . Primärübersetzung (hier 38-19 Zähne)
n = 0,632 . . . Übersetzung der Schaltung im kleinsten Gang (hier für Shimano 7-Gang)
d = 26 Zoll = 660mm . . . Reifendurchmesser
e = n_p * n * pi * d = 2621mm

in diesem Beispiel:
max_Steigung = 6,5%


Nachtrag: Bei den Werten handelt es sich zugegebenermaßen um einen leichten Fahrer und für ein unmotorisiertes Long John um ein eher schweres Fahrrad. Dafür stemmt sich der Fahrer schon mit aller Kraft in die Pedale und alle übrigen Effekte (Manövrieren an Engstelle, scharfe Kurve, ...) bleiben unberücksichtigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@paschda Ich bin überwältigt. Hast du die Formeln selbst erstellt? Oder bist Du radelnde Mathematikerin/ radelnder Mathematiker?
 
@paschda Ich bin überwältigt. Hast du die Formeln selbst erstellt? Oder bist Du radelnde Mathematikerin/ radelnder Mathematiker?
Danke für die Blumen! :) - Die Formeln sind selbst erstellt. Die sehen in dieser Textdarstellung abgefahrener aus als sie sind. Die Mechanik dahinter ist nicht allzu kompliziert. Was aber nicht völlig ausschließt, dass der radelnde Maschinenbauer da nicht doch irgendwo einen Fehler gemacht hat. ;-)
 
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