Radkutsche: ezee Antrieb ist mir (noch?) suspekt..
Also der Einwand gilt ohne Probefahrt nicht. Lass Dir nix einreden. Von anderen nicht und von mir schon gleich gar nicht
Ich fahre sowohl Mittelmotor als auch Vorderrad-Antrieb in meinem Fuhrpark, ich merke da in der Ebene keinen Unterschied mehr, weil ich ständig auf Vollast fahre und sicher auch, weil ich mich unterbewusst schon dran gewöhnt habe. Beide Motorarten sind auf 250W begrenzt, beide schalten nur zu, wenn man tritt und hören also sofort auf, wenn man das nicht mehr macht (bzw. mit ca. 0,5sec Verzögerung). Wenn Du bei egal welcher Antriebsvariante mit voller Kraft beim Anfahren bis 25km/h beschleunigst, ergibt sich ein theoretisch identisches Verhalten.
Der VR-Motor hat "nur" einen Pedal-Umdrehungssensor, d.h. auch bei losem Mittreten ohne Kraft im Faulpelzmodus (oder wenn man mal kränkelt) schiebt der Motor volle Kraft bis zur eingestellten Geschwindigkeit weil der Umdrehungssensor Umdrehungen meldet. Ich finde das angenehm, weil man kann z.B. auch mal nur 4 von 5 Stufen einstellen, das sind ca. 20km/h und der Motor hält diese Geschwindigkeit von allein. Der übliche Mittelmotor hat einen Kraftsensor am Pedal und verstärkt Deine Kraft entsprechend mit z.B. 100% aber immer bis 25km/h. Totalen Faulpelzmodus gibts da nicht, ein wenig Kraft muss man mindestens aufbringen. Und wenn man mal nur 20km/h in der Ebene fahren will, muss man ständig aufhören zu treten bzw. kontrollieren, um diese Geschwindigkeit zu halten. Ein Umdrehungssensor ist m.E. auch die simplere Technik/robuster als ein Kraftsensor (mehr Elektronik), was auch für den VRM spräche.
Beim Vorderradmotor kannst Du jederzeit schalten bzw. es genügt, wenn Du lose mittrittst. Wenn Du einen Mittelmotor hast (und keine Nuvinci oder Shimano Steps) dann solltest Du vor dem Schalten warten, bis der Motor aufhört zu drücken, dann erst schalten und danach erst weitertreten. Sonst drückt Dir der Motor in die Schaltung, was man laut Schaltungshersteller nicht tun soll, weil da die Schaltung im Lauf der Jahre zermalmt wird (und schon lange vorher nur noch schlecht schaltet und nervt.) Das Schalten inkl. Tretpause kann schonmal 1-2 sec dauern bis der Gang drin ist, was am Berg besonders nervig ist, denn dann ist der Schwung weg. Erlebe ich immer wieder an meinem normalen Mittelmotor-Rad und das nervt mich gewaltig. Beim Lastenrad gilt das wegen erhöhtem Gewicht sogar noch verschärft. Nuvinci hat das Problem nicht, da die Schaltung stufenlos ist, dafür hat sie aber einen schlechten Wirkungsgrad (besonders unter hoher Last) und die Übersetzungsbandbreite (380%) genügt auch nicht für Lastenradanwendungen mit hohen Gewichten (ab 150kg gesamt) und Nicht-Flachland. Die Shimano-Steps übernimmt das Einkoppeln-Auskoppeln um genau das Zermalmen der Schaltung zu verhindern, aber man bindet sich damit an ein Shimano-Gesamtsystem, was nicht stark verbreitet ist (wer repariert es dann im Zweifel?).
Ich bin mit meinem ezee-VR-Motor recht zufrieden. Aber es gibt ja auch andere VR-Motor-Hersteller. Du kannst auch einen beliebigen VR-Motor an ein Bullit schrauben lassen, das bieten auch manche Hersteller/Bulitt-Aufbauer ab Werk an. Bullit ist halt Rennrad-Feeling. Das ist mal cool, aber im Alltag fände ich das zu anstrengend. Jedem nach seinem Gusto. Prinzipbedingt ist dadurch aber der Lenker recht niedrig, das kann schnell zu Platzproblemen mit Kinderköpfen führen, die von unten herausragen. Beim Urban-Arrow ist das schon besser, weil durch die Hollandrad-Position der Lenker so hoch und weg von den Kinderköpfen ist.
Vorteil an einem Getriebemotor (ezee, aber auch Puma meines Wissens, vllt noch andere) ist die höhere Leistung bei niedrigen Geschwindigkeiten, also am Berg bzw. beim Anfahren. Weil der Motor ein Getriebe hat, dreht er "innen schneller als außen" am Rad. Und da die abgegebene Leistung mit Drehmoment mal Umdrehungsanzahl berechnet wird, hat ein Getriebemotor also mehr abgegebene Leistung --> mehr "Kraft". So verstehe ich zumindest die Physik dahinter. Bei der LongJohn-Bauart, die Dir vorschwebt, hättest Du vorne üblicherweise ein 20"-Rad, das ist so klein, dass die Kraft auf gut auf die Straße kommt, weil der Weg von Achse bis Außenrad gering ist. Bei Mittelmotor nutzt der Motor zwar die Übersetzung der Schaltung mit, aber es geht über das große Hinterrad. D.h. mehr Weg von Achse bis Außenrad und damit weniger Kraft auf der Straße. Das nützt Dir am Berg gar nix.
Und noch ein Punkt (sorry, mir fallen ständig nur Vorteile für den VR-Motor ein...): Am Berg kann man durch Fahren von Schlangenlinien (quasi Serpentinen) allein auf der 5m breiten Fahrbahn (wenn wenig Verkehr) den zurückgelegten Weg verlängern und dadurch die Steigung verringern. Das kann schonmal den Unterschied machen zwischen Berg-hochkommen und Berg-nicht-hochkommen. Bei doppeltem Weg ergibt sich halbe Steigung, was aus einem unschaffbaren 20%-Anstieg einen noch machbaren 10%-Anstieg macht. Bei Mittelmotor bzw. Hinterradantrieb ändert sich der Weg des Hinterrades bei so kleinen Schlangenlinien fast nicht, da müsste man schon echte Serpentinen fahren (>15m von re nach li) . Das Vorderrad jedoch macht die Schlangenlinien 100% mit, weil es ja lenkt. Wenn dann vorne der Motor ist hilft das enorm. Wenn der hinten ist, hilft Dir das kaum. Bei unserem Dreirad komme ich so auch die steilsten Anstiege hoch. Da ein Dreirad bei so kleinen Winkeln nicht kippt, kann man das bis zum Exzess treiben, d.h. ich fahre mit dem Vorderrad hin- und her, solange der Motor zieht, den Rest steuere ich per Muskelkraft hinzu (ginge aber auch ohne im 6km/h-Anfahrhilfe-Modus).