Das Angebot an Longtail Lastenrädern hat in den letzten Jahren ja erfreulicherweise deutlich zugenommen. Insbesondere Longtails mit 20“ Rädern finde ich spannend, da sie von den Abmessungen her kaum größer sind als normale Räder. Tern ist mit dem GSD hier wohl mehr oder weniger Marktführer, RadPowerBikes markiert mit dem RadWagon das low cost Ende des Markts, sofern man bei Lastenrädern davon überhaupt sprechen kann.
Das Kettler Familiano führt in dieser Nische irgenwie ein Schattendasein. Das ist eigentlich schade, da es von der Ausstattung her (gemessen am Preis) ein wirklich spannendes Rad ist. Leider hat Kettler es inzwischen aus dem Angebot genommen. Dennoch sind noch einige neue Räder am Markt verfügbar.
Die Kombination aus Bosch Cargoline Antrieb mit der (bei einigen unbeliebten) Enviolo Nabe und den Magura MT4/5 Bremsen stellt jedenfalls ein ordentliches Gesamtpaket dar.
Mein Rad habe ich bei upway gebraucht gekauft. Für knapp über 3.000€ bekam ich ein gerade gut eingefahrenes Rad, mit offensichtlich neuer Kette und neuen Bremsbelägen. Nachdem ich selbst nun ~1.000km damit abgespult habe, traue ich mich eine erste Einschätzung zu geben.
Für mich stellt das Rad mein Alltagsrad und gleichzeitig mein erstes Lastenrad dar. Ich habe mein altes Fahrrad daher auch inzwischen verkauft. Mangels Platz zum Unterstellen funktioniert das Prinzip n+1 bei mir leider nicht. Insofern war es mir wichtig ein Lastenrad zu finden, was ohne Gepäck oder Passagiere sich so normal wie möglich fährt. Und das tut das Familiano sehr gut. Im Normalbetrieb habe ich hinten die Sideblades montiert. Weiterhin habe ich einen Frontgepäckträger. Dass letzterer mitlenkt, finde ich allerdings weniger gut. Mir wäre eine starre Lösung wie beim Tern GSD deutlich lieber. Mitfahren tut bei mir i.d.R. eine Ortlieb Tasche und gelegentlich einer von zwei Teenagern auf Strecken zwischen 2 und 6km. Zu diesem Zweck habe ich auf dem Gepäckträger ein Sitzkissen von Decathlon montiert (was für deren Elops Longtail Lastenrad angeboten wird). Die Kinder finden diese Lösung sehr bequem. Was noch fehlt ist eine vernünftige Möglichkeit zum Festhalten.
Fahrverhalten:
Unbeladen macht das Familiano wirklich Spaß. Es ist unerwartet wendig und gleichzeitig unglaublich fahrstabil. Die Bremsen greifen sehr gut, dank niedrigem Schwerpunkt kann man brutal verzögern. Die Kombination aus Magura MT5 vorne und MT4 hinten ist gut gewählt. Im Beladenen Zustand wandelt sich das Bild (Gesamtzuladung ~130 bis 140kg, davon gute 50kg hinten). Aus dem wendigen Flitzer wird dann eher ein träges Schiff. Die Fahrstabilität ist sehr gut (getestet bis 45km/h), wenn die Fracht hinten aber meint rumhampeln zu müssen, bekommt der Fahrer durchaus Arbeit dagegen zu steuern.
Was mir vorne fehlt ist eine Federgabel. Auch ein 55mm Reifen kann keine Federung wirklich ersetzen. Die Sattelstütze habe ich durch meine alte Thudbuster LT ersetzt. Das passt soweit sehr gut zum Rad.
Der Antrieb:
Ja, da hatte ich mir vom Cargoline mehr versprochen. Ich komme von einem Impulse 2.0 Baujahr 2017 in Kombination mit einer 8 Gang Shimano Nabe. Der lässt auch bei gleichem Gesamtgewicht die Kombination aus Cargoline und Enviolo stehen. Sowohl beim Anfahren und noch mehr bei höherer Kadenz. Die Nabe frisst Leistung. Das kann man kaum leugnen. Und die Gesamtübersetzung war mir zu kurz. Mit dem montierten 42er Kettenblatt und 20er Ritzel schaffte ich bei einer Kadenz von 70/min kaum 20km/h. Auch weil die Grundeinstellung der Nabe falsch war. Aktuell habe ich ein 17er Ritzel drauf. 16 Zähne wären noch möglich, dann braucht es aber andere Distanzscheiben. Ich fahre aber bei Reisegeschwindigkeit permanent in der längsten Übersetzung der Nabe. Das ist leider nicht sehr effizient (die Nabe ist bei mittleren Übersetzungen am effizientesten). Ein größeres Kettenblatt wäre denkbar, dann braucht es aber auch Ersatz für den Chainglider. Positiv betrachtet sind auch steilste Berge mit der gegebenen Übersetzung kein Problem und um das Eingangsdrehmoment für die Nabe muss man sich keine Gedanken machen. Ohne Motor zu fahren macht allerdings relativ wenig Spaß. Rollwiderstand und Antriebsverluste rächen sich da gewaltig.
Was mich allerdings am Antrieb wirklich nervt: Ich erreiche aktuell nicht die erlaubten 25km/h Höchstgeschwindigkeit mit Motor. Es sind eher knappe 24km/h. Das klingt vielleicht kleinlich, wenn man aber in einer Gruppe von Pedelecs fährt, macht das absolut keinen Spaß regelmäßig im Bereich oberhalb der Unterstützung treten zu müssen. Laut Übergabeprotokoll ist der Reifenumfang im Antrieb auf 162cm eingestellt Das passt für einen 20“ Schwalbe Pickup in 55mm Breite. Nur gelten diese Werte ja bestimmt für einen unbelasteten Reifen. Wenn der Reifen nun deutlich walkt, ist der effektive Umfang geringer. Bleibt die Frage: Wer traut sich und wäre in der Lage den Wert zu korrigieren?
Zur Reichweite: Im Flachen und nur mit mir beladen erreiche ich im Alltag eine Reichweite von 55-60km im Turbo Modus. Das ist soweit okay. Da ich aber täglich mindestens 35km fahre, muss ich praktisch jeden Tag laden. Das 2A Ladegerät macht dabei relativ wenig Spaß wenn es dann doch mal ungeplant mehr Kilometer werden. Ein Zweitakku und Zweitladegerät sind aber in Planung.
Sonstiges:
Zwei Akkuhalterungen sind für ein Lastenrad angemessen. Diese sind allerdings kopfüber montiert. Dadurch müssen die Akkus zu der Seite entnommen werden wo das Akkuschloss nicht ist (Das Kettenblatt ist sonst im Weg). Das ist einigermaßen unpraktisch.
Der Hinterbau des Rades ist dank der schnell demontierbaren Sideblades gut zugänglich und nicht so verbaut wie bei anderen Longtails.
Das Speichenschloss vorne ist super, so kann man das Vorderad mit Schnellspanner belassen und sichert es über das Speichenschloss.
Das Purion Display finde ich für ein Alltagsrad genau richtig. Ein abnehmbares Display würde ich dauernd vergessen.
Der Lack vom Rahmen ist unglaublich empfindlich. Den Gepäckträger muss ich noch angemessen Schützen wo die Ortlieb Tasche hängt, damit sich diese nicht komplett einarbeitet. Ich werde versuchen da einen Schutz aus TPU 3d zu drucken.
Der breite Lenker ist zum Fahren mit viel Beladung sehr gut, leider ist er aber beim Abstellen auf schmalen Abstellplätzen dann oft die entscheidenden Zentimeter zu breit.
Die originale Beleuchtung taugt für ganzjähriges fahren nicht. Hier rüste ich noch auf.
Fazit:
Auch wenn hier einige Kritik zu finden ist: Das Rad hat sich im Alltag bislang bestens bewährt. Mal schauen wie das Urteil nach 10.000 oder 20.000km ausfällt. Über andere Erfahrungsberichte würde ich mich freuen. Fotos muss ich aktuell schuldig bleiben, ich bin im Urlaub…
Das Kettler Familiano führt in dieser Nische irgenwie ein Schattendasein. Das ist eigentlich schade, da es von der Ausstattung her (gemessen am Preis) ein wirklich spannendes Rad ist. Leider hat Kettler es inzwischen aus dem Angebot genommen. Dennoch sind noch einige neue Räder am Markt verfügbar.
Die Kombination aus Bosch Cargoline Antrieb mit der (bei einigen unbeliebten) Enviolo Nabe und den Magura MT4/5 Bremsen stellt jedenfalls ein ordentliches Gesamtpaket dar.
Mein Rad habe ich bei upway gebraucht gekauft. Für knapp über 3.000€ bekam ich ein gerade gut eingefahrenes Rad, mit offensichtlich neuer Kette und neuen Bremsbelägen. Nachdem ich selbst nun ~1.000km damit abgespult habe, traue ich mich eine erste Einschätzung zu geben.
Für mich stellt das Rad mein Alltagsrad und gleichzeitig mein erstes Lastenrad dar. Ich habe mein altes Fahrrad daher auch inzwischen verkauft. Mangels Platz zum Unterstellen funktioniert das Prinzip n+1 bei mir leider nicht. Insofern war es mir wichtig ein Lastenrad zu finden, was ohne Gepäck oder Passagiere sich so normal wie möglich fährt. Und das tut das Familiano sehr gut. Im Normalbetrieb habe ich hinten die Sideblades montiert. Weiterhin habe ich einen Frontgepäckträger. Dass letzterer mitlenkt, finde ich allerdings weniger gut. Mir wäre eine starre Lösung wie beim Tern GSD deutlich lieber. Mitfahren tut bei mir i.d.R. eine Ortlieb Tasche und gelegentlich einer von zwei Teenagern auf Strecken zwischen 2 und 6km. Zu diesem Zweck habe ich auf dem Gepäckträger ein Sitzkissen von Decathlon montiert (was für deren Elops Longtail Lastenrad angeboten wird). Die Kinder finden diese Lösung sehr bequem. Was noch fehlt ist eine vernünftige Möglichkeit zum Festhalten.
Fahrverhalten:
Unbeladen macht das Familiano wirklich Spaß. Es ist unerwartet wendig und gleichzeitig unglaublich fahrstabil. Die Bremsen greifen sehr gut, dank niedrigem Schwerpunkt kann man brutal verzögern. Die Kombination aus Magura MT5 vorne und MT4 hinten ist gut gewählt. Im Beladenen Zustand wandelt sich das Bild (Gesamtzuladung ~130 bis 140kg, davon gute 50kg hinten). Aus dem wendigen Flitzer wird dann eher ein träges Schiff. Die Fahrstabilität ist sehr gut (getestet bis 45km/h), wenn die Fracht hinten aber meint rumhampeln zu müssen, bekommt der Fahrer durchaus Arbeit dagegen zu steuern.
Was mir vorne fehlt ist eine Federgabel. Auch ein 55mm Reifen kann keine Federung wirklich ersetzen. Die Sattelstütze habe ich durch meine alte Thudbuster LT ersetzt. Das passt soweit sehr gut zum Rad.
Der Antrieb:
Ja, da hatte ich mir vom Cargoline mehr versprochen. Ich komme von einem Impulse 2.0 Baujahr 2017 in Kombination mit einer 8 Gang Shimano Nabe. Der lässt auch bei gleichem Gesamtgewicht die Kombination aus Cargoline und Enviolo stehen. Sowohl beim Anfahren und noch mehr bei höherer Kadenz. Die Nabe frisst Leistung. Das kann man kaum leugnen. Und die Gesamtübersetzung war mir zu kurz. Mit dem montierten 42er Kettenblatt und 20er Ritzel schaffte ich bei einer Kadenz von 70/min kaum 20km/h. Auch weil die Grundeinstellung der Nabe falsch war. Aktuell habe ich ein 17er Ritzel drauf. 16 Zähne wären noch möglich, dann braucht es aber andere Distanzscheiben. Ich fahre aber bei Reisegeschwindigkeit permanent in der längsten Übersetzung der Nabe. Das ist leider nicht sehr effizient (die Nabe ist bei mittleren Übersetzungen am effizientesten). Ein größeres Kettenblatt wäre denkbar, dann braucht es aber auch Ersatz für den Chainglider. Positiv betrachtet sind auch steilste Berge mit der gegebenen Übersetzung kein Problem und um das Eingangsdrehmoment für die Nabe muss man sich keine Gedanken machen. Ohne Motor zu fahren macht allerdings relativ wenig Spaß. Rollwiderstand und Antriebsverluste rächen sich da gewaltig.
Was mich allerdings am Antrieb wirklich nervt: Ich erreiche aktuell nicht die erlaubten 25km/h Höchstgeschwindigkeit mit Motor. Es sind eher knappe 24km/h. Das klingt vielleicht kleinlich, wenn man aber in einer Gruppe von Pedelecs fährt, macht das absolut keinen Spaß regelmäßig im Bereich oberhalb der Unterstützung treten zu müssen. Laut Übergabeprotokoll ist der Reifenumfang im Antrieb auf 162cm eingestellt Das passt für einen 20“ Schwalbe Pickup in 55mm Breite. Nur gelten diese Werte ja bestimmt für einen unbelasteten Reifen. Wenn der Reifen nun deutlich walkt, ist der effektive Umfang geringer. Bleibt die Frage: Wer traut sich und wäre in der Lage den Wert zu korrigieren?
Zur Reichweite: Im Flachen und nur mit mir beladen erreiche ich im Alltag eine Reichweite von 55-60km im Turbo Modus. Das ist soweit okay. Da ich aber täglich mindestens 35km fahre, muss ich praktisch jeden Tag laden. Das 2A Ladegerät macht dabei relativ wenig Spaß wenn es dann doch mal ungeplant mehr Kilometer werden. Ein Zweitakku und Zweitladegerät sind aber in Planung.
Sonstiges:
Zwei Akkuhalterungen sind für ein Lastenrad angemessen. Diese sind allerdings kopfüber montiert. Dadurch müssen die Akkus zu der Seite entnommen werden wo das Akkuschloss nicht ist (Das Kettenblatt ist sonst im Weg). Das ist einigermaßen unpraktisch.
Der Hinterbau des Rades ist dank der schnell demontierbaren Sideblades gut zugänglich und nicht so verbaut wie bei anderen Longtails.
Das Speichenschloss vorne ist super, so kann man das Vorderad mit Schnellspanner belassen und sichert es über das Speichenschloss.
Das Purion Display finde ich für ein Alltagsrad genau richtig. Ein abnehmbares Display würde ich dauernd vergessen.
Der Lack vom Rahmen ist unglaublich empfindlich. Den Gepäckträger muss ich noch angemessen Schützen wo die Ortlieb Tasche hängt, damit sich diese nicht komplett einarbeitet. Ich werde versuchen da einen Schutz aus TPU 3d zu drucken.
Der breite Lenker ist zum Fahren mit viel Beladung sehr gut, leider ist er aber beim Abstellen auf schmalen Abstellplätzen dann oft die entscheidenden Zentimeter zu breit.
Die originale Beleuchtung taugt für ganzjähriges fahren nicht. Hier rüste ich noch auf.
Fazit:
Auch wenn hier einige Kritik zu finden ist: Das Rad hat sich im Alltag bislang bestens bewährt. Mal schauen wie das Urteil nach 10.000 oder 20.000km ausfällt. Über andere Erfahrungsberichte würde ich mich freuen. Fotos muss ich aktuell schuldig bleiben, ich bin im Urlaub…