Na, ja. Ich würde das alles nicht so auf die Goldwaage legen.
Ich fahre ein Bullitt (gerne) und lese den newsletter dazu (schmunzelnd). L vs H haben das klassische Long John Cargobike zu einer Zeit neu interpretiert, als die meisten der heutigen Konkurrenten noch gar nicht am Markt waren, zumindest nicht mit Cargobikes. L vs H haben damals einen guten Wurf gelandet, wie ich finde. Sie wissen das (allein schon anhand der Verkaufszahlen) und praktizieren mit aller Öffentlichkeitsarbeit (newsletter, aber auch den Reisen der Firmengründer zu Messen und Lastenrad-Rennen) immer gleichzeitig marketing, branding. Oft gelang dies in der Vergangenheit recht charmant. Dergestalt, dass der merkantile Anteil der events nicht so im Vordergrund stand. Bei besagtem letzten newsletter kam ich aber auch etwas ins Grübeln, ob die Firma einen gewissen Druck verspürt, technologisch nachzurüsten, dies aber nicht will und die (bislang unangesprochene) Problematik nun offensiv anzugehen versucht. Flucht nach vorne.
Egal. Der Ton dieser Bullitt-newsletter war nie rein sachlich. Weder gemeint, noch so zu verstehen. Etwas Übertreibung und Wahnsinn gehörte immer dazu. Die darin enthaltenen comics sagen doch eigentlich alles.
Der Markt wird es zeigen, ob sich tatsächlich die technologisch komplexeren Cargobikes (mit Federung, Seilzuglenkung und weiterem) durchsetzen. Natürlich profitieren L vs H schon sehr lange von ihrem guten Ruf und vielleicht auch einer gewissen Phantasielosigkeit der Kundschaft, die lieber auf Bewährtes und Vetrautes setzt, anstatt zu experimentieren. Inzwischen gibt es so vielfältige Anbieter für Cargobikes, dass eine weitere Auffächerung des Angebots von L vs H in der Tat ein Risiko für die Firma darstellen dürfte. Kann gut gehen, muss nicht.
Das Unterstellen eines Designfehlers bei der Konkurenz ist meiner Einschätzung nach nichts anderes als der übliche freche Unterton dieser Depesche. Sollte man nicht zu Ernst nehmen. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich zwischen den beiden extremen Einstellungen: Designfehler oder aber unverzichtbar.
Gegenüber den Verhältnissen bei Trekkingrädern, beispielsweise, verhält sich die ungefederte zu der gefederten Masse bei Cargobikes mit Dämpfung eher günstig. Sprich: Die ungefederte Masse ist relativ betrachtet kleiner, das Verhältnis wird jenem bei Kfz ähnlicher. Und also macht eine Federung eher Sinn, als bei relativ schwerer ungefederter Masse.
Andererseits scheinen die konfektionierten Teile für eine Fahrradfederung nicht unbedingt sehr langlebig und nicht immer gut an unterschiedliche Ladungen anzupassen zu sein. Das habe ich so zumindest hier in verschiedenen threads als Stimmung wahrgenommen. Und natürlich erfordert die Einplanung allein schon einer Vorderradfederung (Federgabel) Platz vorne am Rahmen, also ggf eine Neukonstruktion im Falle L vs H. Schließlich haben L vs H das Problem eines jeden Industrie-Klassikers: Die eventuell etwas konservative Kundschaft könnte auf Veränderungen empfindlich reagieren.
Die Zeit wird es zeigen. Weder haben L vs H das perfekte Long John erfunden, noch begeht die Konkurrenz grundsätzlich Konstruktionsfehler. Ein bisschen auf den Busch klopfen darf man schon, zumal, wenn es mit Augenzwinkern geschieht.
Zu dem anderen hier anklingenden Innovations-Thema, der Seilzuglenkung: Ich würde sie nicht haben wollen. Eine wartungsärmere und im Alltag daher vielleicht zuverlässigere Lösung in Form der Stangenlenkung ist mir persönlich lieber. Da bin ich etwas konservativ, zugegeben.