Hier ein erster Aufschlag mit Infos zum BOGBI meinerseits. Vieles hat
@koenigbleifuss ja schon beschrieben!
"Testzeitraum" April 2021 - dato, ca. 500 vorwiegend Stadt-km.
Als Einleitung möchte ich darauf hinweisen, dass ein Lastenrad-Kauf immer ein sehr individueller Prozess ist. Ich empfehle jedem LR-Interessierten immer, sich zu überlegen, was die ganz eigenen Anforderungen an das gewünschte Rad sind. Meistens lässt sich daraus und dem gesetzten Budget auch ein passender Bautyp/Marke/Modell finden.
Das BOGBI ist in gewisser Weise zu uns gekommen - aus 1. Hand. Daher kann ich nur bedingt Aussagen zu Vertriebswegen/Shipping/Zoll etc. treffen. Hierzu lohnt sich aber ein Blick auf den Link in meinem Beitrag vor diesem oder ein Kontakt zur Crow Cyclery in Berlin.
Denkt dran: Neue Lastenräder lassen sich oft fördern von Stadt oder Bundesland - in WI mit bis zu 1000 Euro für E-Modelle!
Aber jetzt genug der einleitenden Worte.
Unsere
Anforderungen sind und waren:
Kindertransport bis die Kids selber fahren können
Einkäufe transportieren
Das Portemonnaie nicht überstrapazieren
E-Motor (Wiesbaden bietet einige ordentliche Steigungen)
Einspurige Bauform
Da kommen wir schnell zu den Pro’s und Con’s des BOGBI. Die sind natürlich individuell und ich gebe auch ein paar diskussionswürdige Aspekte mit.
Pro’s:
Wenigkeit durch Seilzuglenkung (Drehen fast auf der Stelle möglich beim Rangieren, sehr kleiner Fahr-Wenderadius)
Entsprechend auch kürzer als andere Long-Johns.
Stabile Bauart (bei uns Edelstahlrahmen ohne Lackierung) inkl. Metall-Verkleidung (ich nehme an beschichtetes Alu)
Ein-Preis-für-Alles! Inkl. Kinder-(Doppel)-Sitz, Taschen im Laderaum und Verdeck.
Tiefer Schwerpunkt der Ladefläche
Con’s:
Durch fehlende Lichtanlage, Speichenreflektoren, Reflektor hinten und Klingel im Auslieferungszustand nicht StVO-kompatibel. Nachrüsten erfordert gewisse Bastel-Fähigkeiten und -Ausrüstung.
Durch robuste Konstruktion solides Gewicht
Kein Gepäckträger im Lieferumfang
Keine Federung - die fetten Reifen federn zwar recht gut, insbesondere bei Beladung, und auch die Hängematten-Konstruktion schwingt den Nachwuchs etwas. Ich sehe jedoch mittelfristig die Vorteile einer Federgabel.
Diskussionswürdig:
Verdeck
Das Verdeck verrichtet seinen Dienst tadellos. Es hält Regen ab, ist nach einer Eingewöhnungszeit zügig zu montieren und passt optisch zur Bauform. Manko: Bei Abnahme des vorderen Verdeck-Teils fährt man einen Windfang spazieren. Da gibt es aerodynamische Konstruktionen. Geschlossen ist es dagegen recht windschnittig. Die Montage des hinteren Teils ist etwas fummelig aber beim zweiten Mal easy. Nur wird ein Innensechskant benötigt. Super ist, dass der Stauraum auch von hinten zugänglich ist. Auch bei sitzendem Kind ist erstaunlich viel Platz unter dem Bogen des Lenkers dank Seilzuglenkung. An einem Detail habe ich nachgerüstet: Zur Spannung des Verdecks über den Bogen sind Gummizüge mit Haken (wie man sie zum Befestigen von Ladung nimmt) verbaut. Diese reiben an den Klettflächen auf. Dies kann durch Schrumpfschläche reduziert werden. Die Verarbeitung des Verdecks ist solide, nicht herausragend, sollte aber langfristig halten.
Kindersitz
Das Hängematten-Konzept ist cool und einfach einzustellen. Die Sitzgröße ist sicher nur für jüngere Kids geeignet, aber irgendwann sollen sie ja auch selber fahren! Es wird von meinem Sohn (2J) gut angenommen. Nachteil ist aus meiner Sicht, dass ein Ausschnitt hinten für den Helm fehlt (ohne wird nicht gefahren!). Die Hängematte ist ja auch am oberen Bügel aufgehängt. Dadurch kippt der Kopf des Juniors beim Einschlafen für meinen Geschmack zu sehr nach vorne. Bekannte Problematik ja auch bei anderen Sitzlösungen und Kindersitzen für Fahrräder allgemein.
Die 5-Punkt-Gurte halten, könnten aber noch eine Polsterung gebrauchen.
Super ist, dass die Kids durch den hohen Metallrahmen wirklich tief und geschützt sitzen.
Tretlager-Nachrüstmotor Bafang BBS01 250W 36V, Hailong 17,5Ah Akku, 850c Display
Der Motor ist leistungstechnisch absolut ausreichend. Er bietet folgende Daten für den Lichtausgang: 6V 3A (Ampere)
Das bedeutet eine eingeschränkte Auswahl an geeigneten Lampen was die Lichtausbeute angeht. Parallel geschaltet sollten Vorne und Hinten addiert diese 3A nicht überschreiten. Dafür können alle handelsüblichen 6V LED Lampen verwendet werden. Top: Das System (ich nehme an das verbaute Display) erkennt Dunkelheit und schaltet das Licht automatisch an. Die Kabel zum Anschluss (Vorne/Hinten getrennt) kommen aus dem Mittelmotor. Hier sind China-unbekannt-Stecker dran. Abisolieren und nach Wunsch verkabeln (Löten/crimpen). Achtung! Das Hinterlicht hat eine Bremslicht-Funktion. Ich hatte das Kabel zuerst nach vorne verkabelt, das ergab dann eine Lichthupe-Funktion…
Am Akku gibt es bisher nichts zu meckern. Das Display ist ebenso geeignet. Das Rad hat am Schalter fürs Display eine Anschub-Hilfe und das Licht kann hier ebenfalls manuell angeschaltet werden.
Ich persönlich finde die Wahl eines Nachrüst-Tretlagermotors aus folgenden Gründen optimal:
Motor kaputt: austauschen. Umzug ins Flache: Motor abschaffen. Keine Ersatzteile mehr zu bekommen: Motor wechseln. Bei modernen Systemen von Bosch etc. Ist der Rahmen um den Motor gebaut. Das hat eben Vor- aber auch Nachteile.
Der Motor bietet im ausgeschalteten Zustand kaum Tretwiederstand. Er hat ein paar Mankos: er unterbricht nicht bei Schaltvorgängen (ein entsprechender Sensor wäre wohl nachrüstbar). Das könnte mehr Verschleiß bedeuten. Workaround: Bremse links kurz antippen, Motor schaltet ab, Schalten, Motor schaltet automatisch wieder zu… funktioniert auch.
Da sind wir beim nächsten Manko: Der Motor schaltet verzögert zu und das ruckartig. Man gewöhnt sich dran oder beschäftigt sich perspektivisch näher mit dessen Programmierung.
Sollte der Motor etwas „klappern“ kann dieser einerseits mit dem originalen Bonfang-Schlüssel zur Montage nachgezogen werden (nur die Pedale muss dazu abgenommen werden) und andererseits kann dieser mit dem Block am Sattelrohr (heisst das so?), das Langlöcher hat, fester geklemmt werden.
Dinge die man mit dem Motor lassen sollte: starke Steigung - gleichzeitig mehrfach Runterschalten und den Motor auf Vollgas stellen = Kettenriss. Der Motor hat also mehr als genug Power, zumindest für die Standard-Kette von Shimano.
Komponentenwahl
Die Komponentenauswahl ist aus meiner Sicht zweckmäßig. Die (neuste) Deore-Standard-Gruppe lässt sich einfach einstellen. Hinten ist ein 9-fach Schaltwerk mit breiter Übersetzung verbaut. Von Bergauf bis Bergab ist alles dabei. Die hydraulischen Bremsen packen ordentlich zu und bisher hatte ich trotz genannter Steigungen in Wiesbaden immer ein sicheres Gefühl. Sie sind gut zu dosieren und ein Wechsel der Bremsbeläge ist keine kostenspielige Angelegenheit.
Mir gefällt der zweckmäßige Ansatz insofern, dass Ersatzteile preiswert zu bekommen sind. Bei erwartetem Mehr-Verschleiß durch den Mittelmotor im Antriebsstrang ist mir das willkommen.
Der Sattel wird sicher mittelfristig gegen einen Hintern-Schmeichler von Brooks o. ä. ausgetauscht. Bei Lenker, Sattelstange etc. handelt es sich eher um preisgünstige Modelle, aber alles erscheint solide und belastbar.
Was
sonst noch zu sagen ist:
Zum Thema Ladekapazität kann ich bestätigen, dass insbesondere kombiniert mit Gepäckträger u. Satteltaschen ein Familien-Wocheneinkauf mit Kind möglich ist. Einladen hat nur Anleihen bei TETRIS.
Die Optik wird zwar durch Gepäckträger und Satteltaschen etwas beeinträchtigt. Ich finde den Look des Rads dennoch klasse und stoße immer wieder auf Interessierte Mitbürger*Innen …wobei, meistens sind die Männer interessiert.
Das Fahrgefühl ist wirklich gut. Der Vergleich zum MTB ist valide. Die 27,5 Zoll hinten tragen dazu bei! Die Seilzuglenkung und der gefühlt nahe Vorderreifen fahren sich sehr intuitiv. Das Doppelte Oberrohr finde ich cool. Es hindert nicht beim Treten, eröffnet aber Perspektiven für Anbauten.
Mir gefallen auch durchdachte Details wie die ständig genutzten Ausfräsungen zum Aufhängen in der Bordwand (Taschen immer Griffbereit), Taschen vorne für Kleinkram, überall vorbereitete Bohrungen für individuelle Lösungen etc.
Ich empfehle den Edelstahlrahmen aus frischen Sturz-Erfahrungen, die meiner Fahrweise geschuldet waren, nicht dem Bike. Aber: der Lack wäre hin. Den Edelstahlrahmen kann man etwas polieren und fertig. Die tiefen Kratzer sind Andenken bzw. Warnhinweise.
Insgesamt ein cooles Bike.
Über die Preisgestaltung am europäischen Markt kann man sich ggf. getrennt unterhalten.
Nachgerüstet wurde von mir:
Gepäckträger (Kleinanzeigen 10 Euro)
Lichtanlage und Reflektoren (Kabel, Vorderlampe, Rücklampe, Kleinteile, ca. 100 Euro)
Klingel (Kleinanzeigen 10 Euro)
Für Fragen und Anmerkungen bin ich offen!
Bilder folgen.