StVO gemäßer Kindertransport?

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Lastenrad
Bullitt Clockwork
Eine Bekannte hat ein 3-rädriges E-Bakfiets mit dem sie ihre Kinder fährt. Nun ist sie bereits ein paar mal von der Polizei darauf aufmerksam gemacht worden das sie streng genommen mit dem Rad gar keine Kinder transportieren darf.

Die StVO spricht von: "(...) für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können."

Detaillierter wird da wohl noch eine DIN EN 14344 welche die Beschaffenheit dieser Sitze regelt.

Gibt es denn auch Transporträder die der DIN EN 14344 entsprechen? Wie seht Ihr das?
 
Hallo zusammen, "streng" genommen, also ganz genau genommen kommt ein Lastenfahrrad in der StVO gar nicht vor. Nun bin ich kein Jurist, meine aber zu wissen, dass die StVO bezüglich des Kindertransportes auf Fahrrädern und somit die Definition "Fahrrad" aus den 1970er Jahren stammt, der Hochzeit der "Pro-Auto-Ära".
In dieser Zeit gab es nur "normale" Fahrräder - und auch so wenig, wie nie zuvor und wie nie danach. Der Tiefpunkt der Fahrradkultur sozusagen...

Natürlich gibt es berechtigte Fragen zur Rechtmäßigkeit von Lastenrädern auch von unseren Kunden.
Meine Logik und Verständnis dazu fängt bei §1 der StVO an:

§1 Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Die StVO beschreibt nicht alle erdenklichen Spezialfahrzeuge explizit, das ist in Gesetzen meines Wissens auch nicht vorgesehen. Insofern findet das Lastenrad im Gesetz auch keine Erwähnung. Insofern gilt im Streitfall ja auch grundsätzliches, wie im §1 steht - damit man sich da schon mal einig ist ;-)

Außerdem: Lastenräder (mit Sitzbank und Sicherheitsgurten) sind für genau den Zweck des Personentransportes gemacht und haben eine vom Hersteller ausgewiesene maximale Zuladung angegeben.
Insofern ist die Nutzung eines für den Zweck ausgelegten Fahrrades auch gar nicht strittig, denn man gefährdet durch diese Art von Fahrrädern ja niemanden, man schützt sich und andere vielmehr, da der Transport auf dem hinteren Gepäckträger ungleich unsicherer ist - auch wenn es dafür zugelassene Kindersitze gibt.

Ich möchte den streitsüchtigen (Kläger) vor Gericht sehen, der erläutert, dass Lastenräder, die zig-tausendfach in den Niederlanden und Dänemark (EU-Recht) bewährt sind, hierzulande aus §1 heraus, nicht erlaubt seien und eine Gefahr darstellen würden - ich bin zuversichtlich, dass man damit nicht weit kommen wird, auch weil ich weiß, dass ein Lastenrad ein vergleichsweise sicheres Fahrzeug ist ;-)
Gruß Lars
 
Danke Lars. Sind Kunden von euch denn auch schon mal von der Polizei angesprochen worden?
 
Hallo grüner Mann ;-) Nein, ich bekomme viel Feedback, aber dieser Punkt ist nur Theorie in der Beratung. Ich kann mir auch irgendwie nicht recht vorstellen, dass das seitens der Polizei - auch aus meiner (vielleicht zu simplen) Logik heraus - Lastenräder wirklich bemängelt, ermahnt oder sonstwie angezeigt werden.
Soooo unbekannt sind die Lastenräder ja nun auch nicht mehr und gerade der Polizei sollten die doch bekannt sein!
Und wenn die Polizei den Punkt "Füße in die Speichen" erwähnt, dann ist mal Zeit für einen Schichtwechsel! Gruß Lars
 
Hallo!

Ich bin zwar kein Rechtsanwalt oder juristisch gebildet, aber ein paar Anmerkungen möchte ich trotzdem machen.

1. Anders als z.B. für Autokindersitzen gibt es für Fahrradkindersitze keine gesetzlich vorgeschriebene Prüfnorm. Eine DIN-Norm ist lediglich "ein unter Leitung eines Arbeitsausschusses im DIN Deutsches Institut für Normung erarbeiteter freiwilliger Standard" (Wikipedia, 5.3.2015). Ein Kindersitz für ein Fahrrad muss also keiner Norm entsprechen.

2. Sowohl die Strassenverkehrs-Ordnung (StVO), als auch alle andere gesetzliche Bestimmungen in Deutschland enthalten keine Definition, was genau ein Fahrrad ist, sondern nur eine Auflistung dessen, was ausdrücklich kein Fahrrad ist: "Schiebe- und Greifreifenrollstühle, [...] Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder, Inline-Skates, Rollschuhe und ähnliche nicht motorbetriebene Fortbewegungsmittel". Es wird also von einem allgemeinen Verständnis ausgegangen, von dem was ein Fahrrad ist. Das schließt Lastenfahrräder natürlich mit ein. Lastenfahrräder bewegen sich also keineswegs in irgendeinem rechtsfreien Raum.

3. Deshalb gilt selbstverständlich auch für Lastenräder § 21 (3) StVO): "Auf Fahrrädern dürfen nur Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden, wenn für die Kinder besondere Sitze vorhanden sind und durch Radverkleidungen oder gleich wirksame Vorrichtungen dafür gesorgt ist, dass die Füße der Kinder nicht in die Speichen geraten können. Hinter Fahrrädern dürfen in Anhängern, die zur Beförderung von Kindern eingerichtet sind, bis zu zwei Kinder bis zum vollendeten siebten Lebensjahr von mindestens 16 Jahre alten Personen mitgenommen werden. Die Begrenzung auf das vollendete siebte Lebensjahr gilt nicht für die Beförderung eines behinderten Kindes."

Es gibt also keinen Grund, warum Kinder nicht auf einem Lastenrad mitgenommen werden dürfen, solange Sitze für sie vorhanden sind. Zwei Fragen sind für mich allerdings noch offen, auf Grund derer die Polizei in dem geschilderten Fall vielleicht auf die Idee kommen könnte, das eine Kindermitnahme doch nicht gestattet sein könnte:

1. So behauptet u.a. die Verkehrswacht: "Weder Sitz noch Fußstützen dürfen an einem beweglichen Teil des Rades (Lenker, Gabel) befestigt sein." (Quelle) Bei einem Lastenrad mit Drehschemellenkung könnte man natürlich auf die Idee kommen, das der vordere Ladebereich mitbewegt wird und damit Teil der Lenkung sei. Auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verkehrswacht zu der Behauptung kommt, ist mir allerdings unklar.

2. Pedelecs (Tretunterstützung bis 25 km/h, 250 W Leistung) sind zweifelsfrei Fahrräder. S-Pedelecs (Tretunterstützung bis 45 km/h, 500 W Leistung) jedoch nicht. Unstrittig scheint zu sein, dass mit S-Pedelecs keine Kinder im Anhänger befördert werden dürfen. An verschiedenen Stellen wird aber auch behauptet, dass auch Kindersitze untersagt seien. (u.a. in der Zeit) Auch hier ist mir die gesetzliche Grundlage zwar nicht klar, aber das man Pedelecs miteinander verwechselt, kann ich mir schon vorstellen.

Vielleicht kann ja noch jemand etwas zur Klärung der offenen Fragen beitragen.
 
S-Pedelecs (Tretunterstützung bis 45 km/h, 500 W Leistung) jedoch nicht. Unstrittig scheint zu sein, dass mit S-Pedelecs keine Kinder im Anhänger befördert werden dürfen. An verschiedenen Stellen wird aber auch behauptet, dass auch Kindersitze untersagt seien. (u.a. in der Zeit) Auch hier ist mir die gesetzliche Grundlage zwar nicht klar, aber das man Pedelecs miteinander verwechselt, kann ich mir schon vorstellen.
Der Part würde mich jetzt auch interessieren. In dem Artikel in der Süddeutschen, den Du erwähnst, steht nicht, dass S-Pedelecs keine Kindersitze haben können, sondern nur dass keine (beweglichen) Kindersitze montiert werden dürfen. Die genaue gesetzliche Grundlage würde mich auch interessieren, aber soweit ich das verstanden habe ist das Problem nicht auf S-Pedelec-Seite, also dass man grundsätzlich keine Kindersitze montieren darf oder Kinderanhänger, sondern dass es keine Kindersitze und Kinderanhänger gibt, die für den Mofa/Moped/S-Pedelec-Betrieb zugelassen sind. Und bei KFZ muss ja alles was man dranbaut irgendwie zugelassen sein.

Nix genaues weiss man aber nicht bzgl. der gesetzlichen Grundlagen, also wäre ich auch dankbar über mehr Info dazu.

Ansonsten habe ich das auch so verstanden wie A.Kuppinger das beschreibt.
@grünerMannWie kommt denn der Polizist zu der Aussage, dass Du die Kinder in Deinem Fahrrad nicht transportieren dürfen solltest? Können die Füße der Kinder bei Deinem Modell in die Räder gelangen? In dem Fall hätte er möglicherweise einen Punkt - ansonsten verstehe ich nicht was er will. Wie schon gesagt, gibts für Fahrräder keine wasserdichte Definition (der Gesetzgeber scheint aber "wird zumindest teilweise durch Muskelkraft fortbewegt und fährt ohne Muskelkraft gar nicht, wobei Hilfsmotoren ab 25km/h nicht mehr eingreifen dürfen" als Definition zu verwenden, was die Einstufung des Pedelecs als Fahrrad erklärt) und Kindersitze sind ja vorhanden in dem Transportrad, oder? Ohne wärs tatsächlich nicht erlaubt. Auf mein Postrad darf ich auch kein Kind draufsetzen.
 
@schmadde : Ich selber bin nicht angesprochen worden sondern eine Bekannte. Worauf sich der Beamte bezog hat sie jedoch nicht gefragt.
 
Also auch ich bin kein Rechtsanwalt, das sei voraus geschickt!

Ich fahre ein Yuba Mundo (Siehe Profilbild oder www.yubaride.com)
Als ich das Ding neu hatte, hatte ich mich bei der Polizei erkundigt, ob ich auf dem Gepäckträger Personen mitnehmen dürfe, wenn ich einen Lenker unter den Sattel baue. Für die Füße gibt es den Ladebügel, der pro Seite für 50 Kilogramm ausgelegt ist und der Gepäckträger ist für 200 Kilogramm ausgelegt.

Der Polizist sagte mir damals: "Das müsste in Ordnung sein." Er lies sich nicht von mir auf eine definitve Antwort "festnageln".
Die Polizei hat mich schon des Öfteren mit zwei Kindern (eines davon damals erst 4 Jahre alt) aber auch mit der 4-jährigen Tochter alleine auf dem Gepäckträger gesehen und mich gewähren lassen.
Und die hatten mich definitiv gesehen! Das eine Mal fuhr das Polizeiauto betont ganz langsam an mir vorbei, weil sie genau hinschauten. Das zweite Mal amüsierten sich die zwei Polizisten sogar über mein Gefährt. Die fanden das lustig.

Was ich mir zusammen reime, warum man mich machen lässt:
Ich darf mit einem selbst gebauten Fahrrad im Strassenverkehr herumfahren. Auch mit einem selber gebauten Tandem! (Diesen Sachverhalt hat der Polizist mir damals definitv bestätigt.)
Somit ist es also irrelevant, was der Fahrradhersteller zu der Situation sagt. Wenn der Hersteller den Personentransport nicht ausdrücklich vorsieht, muss er halt im Falle eines Falles nicht haften. Das beträfe dann den Fall, daß z.B. der Rahmen bricht und Mitfahrer dadurch zu Schaden kämen.

Weder die StVO noch die StVZO regelt, wie ein Fahrradsitz beschaffen sein muss. Sicherlich werden die allgemein für Fahrzeuge gültigen Kriterien gelten: Er muss stabil und groß genug sein, es darf keine Verletzungsgefahr z.B. durch scharfe Kanten von ihm ausgehen und für Hände und Füße muss "was zum Parken" da sein. (Griffe zum Anfassen, Fußrasten oder Pedale)
Dafür habe ich einen großen Lenker unterhalb des Sattels angebracht und als Fußrasten dienen die Ladebügel.
Der Speichenschutz scheint der Polizei am Mundo ausreichend zu sein durch die vielen Rohre des Gepäckträgers. (Ich habe ein älteres Model, als die die unter www.yubaride.com gezeigten.)

Mittlerweile sind meine Kinder beide über 7 Jahre und somit fallen sie nicht mehr unter den oben zitierten Paragraphen, aber ich hätte da mal eine Frage:
Darf ich ein Kind auch unter 7 Jahre als Mitfahrer auf einem Tandem haben? (Vorausgesetzt, es erreicht Lenker und Pedale...)
Wobei es ja beim Tandem auch nicht verpflichend ist, daß der Mitfahrer treten muss. Theoretisch wäre es OK, das Stoker-Tretlager durch einen Satz Fußrasten zu ersetzen.

@grüner Mann:
Deine Bekannte soll sich schlau machen und sich genug Argumente zusammen sammeln, um mit den Beamten notfalls vernünftig den eigenen Standpunkt ausdiskutieren zu können. Die Situation scheint wirklich eine Grauzone zu sein.
Vielleicht könnte Deine Bekannte sich zuerst schlau machen und Argumente sammeln und dann zur nächsten Polizeiwache fahren, um den Fall mit einem Polizisten durch zu diskutieren. Wenn der dann nicht definitv "NEIN" sagt, ist sie innerlich gestärkt und gerüstet, um bei der nächsten Polizeikontrolle ganz locker argumentieren zu können.

Ein Bakfiets ist natürlich wieder eine ganz andere Situation, als mein Mundo.
Aber Fahrradrikschas z.B. sind auch erlaubt. Dort ist die Situation wieder mit einem Bakfiets vergleichbar.
Und die Freigabe durch den Fahrradhersteller...... Siehe oben!

Problematisch dürfte sie Situation am S-Pedelec werden.
Ich befürchte, dort steht in der Betriebserlaubnis eine Anzahl von Sitzplätzen! Und die dürfte üblicherweise auf "einer" lauten.
Aber da kenne ich mich nicht wirklich aus.
Normales Pedelec ist kein Problem, weil es ein Fahrrad ist.
 
Ich habe einfach mal das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur diesbezüglich angeschrieben. Als Antwort habe ich die Richtlinie für die Anbringung von Kindersitzen an Fahrrädern bekommen:

Wortlaut der Richtlinie:

1.) Sitze dürfen nicht an schwenkbaren Lenkungsteilen (Lenker oder Gabel) angebracht sein und die Fahrsicherheit nicht beeinträchtigen. Der Sitz oder zum Sitz gehörende Teile, beispielsweise Haltegriffe, dürfen keine Gefährdung hervorrufen.

2.) Sitze dürfen nur so angebracht sein, daß sich 2⁄3 der Sitzflächentiefe oder der Schwerpunkt der Sitzfläche zwischen der Vorder- und Hinterachse des Fahrrades befindet.

3.) Rutschsichere Fußstützen (Fußruhen) und Ergänzungseinrichtungen (z.B. Bügel), die ein Abgleiten und Abheben der Füße sicher verhindern können, müssen in jedem Falle vorhanden sein.

4.) Sitze und Fußstützen müssen den Körpermaßen des Kindes angepasst und in ihrem Abstand zueinander einstellbar sein. Bilden Sitz und Fußstützen eine unlösbare Einheit, kann auf die Einstellbarkeit verzichtet werden, wenn hiermit keine Beeinträchtigung der Schutzwirkung verbunden ist und die Eignung für eine bestimmte Altersgruppe bzw. Körpergröße deutlich herausgestellt wird.

5.) Sitze und Fußstützen müssen sicher befestigt sein; insbesondere müssen Dreh-und Kippsicherheit der Sitze gewährleistet sein.

6.) Besteht die Möglichkeit, daß die Kinderfüße von einem Rad erfasst werden können, so müssen auf jeder Seite des Rades Abdeckungen angebracht sein. Sie müssen einen Segmentwinkel – ausgehend von der Achsmitte – von 90° abdecken, der symmetrisch beiderseits der Aufstützpunkte der Fußstützen angeordnet ist. Die Abdeckungen müssen aus so festem Material hergestellt sein, daß sie bei üblichen Beanspruchungen nicht bis zum Rad eingedrückt werden können.

Die Beschaffenheit der Kindersitze für Fahrräder selbst ist nicht in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt.

Im Zweifelsfall wird empfohlen, sich bei dem Hersteller des Kindersitzes bzw. des Fahrrads mit Kindersitz zu erkundigen, ob der Sitz die Anforderungen der einschlägigen Normen erfüllt.
 
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