Steuerrohrwinkel beim Long John - warum nicht steiler?

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Lastenrad
FaVe 42 Kistenfahrrad, Workcycles FR8
In letzter Zeit habe ich mir ein paar Gedanken zur Lenkung beim Long John gemacht, die ich hier mal zur Diskussion stellen möchte. Ich bitte dabei ausdrücklich um Korrektur, falls ich mit irgendetwas falsch liege, denn ich bin absolut kein Experte zu dem Thema.

Anlass für die Überlegungen war ein Omnium-ähnliches Rad, das ich auf Instagram gesehen hatte, das einen Steuerrohrwinkel von 90 Grad hatte, und sich nach der Aussage des Erbauers ganz normal fahren sollte.

Nach meinem Laienverständnis ist bei der Zweirad-Lenkung zunächst einmal der Nachlauf der wichtigste Parameter, der bestimmt wie sich das Ganze lenkt. Also könnte prinzipiell der Steuerrohrwinkel auch sehr steil gewählt werden, sogar die oben angeführten 90 Grad, wenn dann über eine entsprechende Auslegung der Gabel, gegebenenfalls sogar mit Rückbiegung, für einen ausreichend großen Nachlauf gesorgt wird.

Ein steilerer Steuerrohrwinkel hätte doch eigentlich den Vorteil, dass die Auf- und Abbewegungen beim Lenken weniger stark ausgeprägt wären, was besonders bei einem Long John mit viel Beladung in der Kiste ein Vorteil wäre. Bei 90 Grad würde sie sogar komplett wegfallen. Bei meinen Long Johns (Steuerrohrwinkel 70 und 73 Grad) merke ich deutlich, wie das Lenken bei mehr Zuladung schwieriger wird, besonders bei dem Rad mit den 70 Grad spüre ich wie das Gewicht (ca. 90 kg in der Kiste bei üblicher Beladung) an der Lenkung fast zerrt. Das Rad mit 73 Grad fühlt sich mit hoher LAst in der Lenkung schon deutlich leichter an. Und die Schwerlasträder von anywhere.berlin zum Beispiel haben einen deutlich steileren Steuerrohrwinkel, nach den Bildern geschätzt ca. 80 Grad.

Nun frage ich mich warum die Long Johns nicht generell einen steileren Steuerrohrwinkel haben. Ist es historisch bedingt, weil normale Fahrräder so um die 70 Grad liegen? Weil es für ein Fahrrad so richtig aussieht? Beim Normalrad ist das ja eher ein Kompromiss aus den Anforderungen Radstand, Abstand Sattel-Lenker, Abstand Pedale-Vorderrad etc., oder? Mit der Trennung von Lenkrohr und Steuerrohr beim Long John ist man da dann nicht mehr eingeschränkt und könnte diese Freiheit ausnutzen. Liegt es daran dass man sonst keine normalen Fahrradgabeln hätte verwenden können, was für die frühen Generationen von Long Johns durchaus relevant gewesen sein könnte, und vielleicht auch heute noch Kosten spart (jede Spezialanfertigung ist ja erstmal teurer? Oder hat das geneigte Steuerrohr noch einen Einfluss auf das Fahrverhalten, den ich komplett übersehen habe?


PS: Könnte natürlich auch sein dass das Problem einfach nur für eine Radgruppe relevant ist, da nur eine Minderheit regelmäßig mehr als 60 kg in die Kiste packt (viele Räder erlauben ja sowieso nur 60-80 kg). Und in dem Bereich merkt man das Gewicht noch nicht so groß in der Lenkung.
 
Ein limitierender Faktor ist sicherlich auch der nötige Abstand zum Vorderrad.

Beim Bakfiets ohne Schwanenhals und mit einem Zentrahlrohr ist der Winkel ja schon darüber begrenzt, dass das Rad irgendwann mit dem Zentrahlrohr kollidiert.

Beim Bullitt beispielsweise hat man ja schon mehr Spielraum durch die Holme an der Seite.

Sicherlich können die Hersteller dieses Problem mit Kreativen Formen noch weiter umgehen. Ich könnte mir vorstelleb, dass es aber auch zu Lasten der Stabilität oder Steifigkeit geht (Vermutung).
 
Hallo,

ich habe bei meinem Selbstbau 2 mal den Steurrohrwinkel flacher gemacht. Bei den Probefahrten hatte ich mich auf die Ladefläche gehockt und am Vorderrad einen Lenker montiert und bin bei mir den Berg runter. Je flacher er wurde je besser fuhr es gerade aus. Die Rückstellung des Vorderrades wurde immer besser. Beim 3. Winkel von ca 72° habe ich es dann belassen.
Dann kam aber die Ernüchterung. Ich habe jetzt eine Seilzuglenkung und die hat eine innere Reibung die viel größer ist wie eine Stangenlenkung. Seit dem merke ich rein gar nichts mehr von einer selbstrückstellung des Vorderrades.
Dafür fährt es aber auch noch bei satt über 30 km/h satt gerade aus und das ohne irgendein Indiez das es bei noch mehr flattern oder instabil werden könnte.

Für mich ist beim nächsten Selbstbau Lastenrad dieser Winkel deutlich steiler. Die 90° will ich nicht, da ich Bedenken habe das das Rad dann anfangen kann zu flattern. Ich werde es vermutlich zwischen 80° und 85° beim nächsten Versuchen. Dann spare ich noch wieder ein paar einzelne cm Länge. Denn das nächste muss kürzer. Es wird auch definitiv wieder eine Seilzuglenkung werden. Mit der jetzigen bin ich sehr zufrieden. Wenn du aber eine Stangenlenkung haben willst, kann das alles wieder ganz anders aussehen, da es nach meiner Erfahrung viel von der Reibung in der Lenkung abhängt, was da wie lenkt.

Grüße Sebastian
 
habe bei meinem Selbstbau 2 mal den Steurrohrwinkel flacher gemacht. Bei den Probefahrten hatte ich mich auf die Ladefläche gehockt und am Vorderrad einen Lenker montiert und bin bei mir den Berg runter. Je flacher er wurde je besser fuhr es gerade aus. Die Rückstellung des Vorderrades wurde immer besser. Beim 3. Winkel von ca 72° habe ich es dann belassen.
Aber du hast die Gabel selbst nicht verändert und damit Schritt für Schritt den Nachlauf vergrößert, oder?
 
Die Gabel stammt von einem Kinderrad und ist in der Geometrie original. Ich habe aber eine IS2000 Aufnahme für die Scheibenbremse und eine Trommel für die Seillenkung angeschweißt. Dazu noch den linken Holm abgeflacht um Platz für die Bremsscheibe zu schaffen. Die Gabel hat keinen großen Vorlauf oder Vorspur, ach egal, Offset.

Videos gibt es davon nicht, nachher werde ich wieder als Norddeutscher ausgelacht, welches kaum messbares Gefälle ich als Berg bezeichnet habe;) Das mittlere Bild, nur mit Lenker ist der Zustand, wie ich die Probefahrten gemacht habe, ist alles was ich bieten kann.

Mal ein paar Bilder, damit ihr die Verhältnisse ganz grob visualisiert bekommt. Genaue werte habe ich nicht mehr im Kopf. Ich hatte mit dem alten Plan des Long Andre und seiner Geometrie samt Winkel begonnen und dann nach gut Dünken und testen verändert.
 

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Schau dir mal einen Einkaufswagen mit den drehbaren Rädern an und gedachter Achse Steuerrohr.
Da sind die Räder hinter dem Drehpunkt, stellen sich automatisch gerade beim schieben. Beim schnellen schieben fangen sie an zu flattern. Achse genau unter Drehpunkt wäre nervös ohne Ende.
Und jetzt den Winkel kippen das das die gedachte Achse ein Winkel wird..immer flacher nach vorn....je mehr um so mehr Stabilität...Fahrstabilität.
Siehe Downhillbikes.
Wollte schon am Bullitt die Gabel umschweissen, das es flacher wird, aber man gewöhnt sich an das nervöser fahren.
 
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Interessante Frage. Flattern könnte ein Punkt sein. Auch der Kraftfluss ist bei den meisten Long John Konstruktionen günstiger, wenn der Steuerrohrwinkel flacher ist.

Da ich den Titel erst falsch verstanden habe: Welche Gründe gibt es für einen flacheren Winkel des anderen Steuerrohrs? Also das Steuerrohr, in dem der Lenker sitzt und nicht die Gabel. Beim Babboe City ist dieses Rohr z.B. fast parallel zum Sattelrohr - was ich als durchweg nachteilig empfinde: Das Rad passt sich nicht so gut verschieden großen Menschen an und die Ladefläche wird kürzer. Nagut, die Krafteinleitung am Hauptrohr könnte profitieren.
 
Schau dir mal einen Einkaufswagen mit den drehbaren Rädern an und gedachter Achse Steuerrohr.
Da sind die Räder hinter dem Drehpunkt, stellen sich automatisch gerade beim schieben. Beim schnellen schieben fangen sie an zu flattern.
Beim Kinderwagen ist es genauso, und bei größeren Rädern (Jogger-Kinderwagen) flattert da nix. Bei Einkaufswagen sind auch die Lager lausig.

Achse genau unter Drehpunkt wäre nervös ohne Ende.
Da ist dann ja auch der Nachlauf Null.

Und jetzt den Winkel kippen das das die gedachte Achse ein Winkel wird..immer flacher nach vorn....je mehr um so mehr Stabilität...Fahrstabilität.
Siehe Downhillbikes.
Da wird dann aber auch der Radstand und der Nachlauf größer, oder?
 
Die Gabel stammt von einem Kinderrad und ist in der Geometrie original. Ich habe aber eine IS2000 Aufnahme für die Scheibenbremse und eine Trommel für die Seillenkung angeschweißt. Dazu noch den linken Holm abgeflacht um Platz für die Bremsscheibe zu schaffen. Die Gabel hat keinen großen Vorlauf oder Vorspur, ach egal, Offset.

Videos gibt es davon nicht, nachher werde ich wieder als Norddeutscher ausgelacht, welches kaum messbares Gefälle ich als Berg bezeichnet habe;) Das mittlere Bild, nur mit Lenker ist der Zustand, wie ich die Probefahrten gemacht habe, ist alles was ich bieten kann.

Mal ein paar Bilder, damit ihr die Verhältnisse ganz grob visualisiert bekommt. Genaue werte habe ich nicht mehr im Kopf. Ich hatte mit dem alten Plan des Long Andre und seiner Geometrie samt Winkel begonnen und dann nach gut Dünken und testen verändert.
Auf den Bildern sieht es recht gut aus....
 
Beim Kinderwagen ist es genauso, und bei größeren Rädern (Jogger-Kinderwagen) flattert da nix. Bei Einkaufswagen sind auch die Lager lausig.
Im Gegensatz zu Fahrrad (Zweirad) und Jogger-Kinderwagen (Dreirad) hat der Einkaufswagen mit seinen vier Rädern das Problem, nicht statisch bestimmt gelagert zu sein.
 
Ich erinnere mich, es gab hier mal irgendwo ein Thema das sich damit befasst hat, kann aber auch sein, daß es in Verbindung mit Achsschenkellenkung alla xyz war....
 
Da ich den Titel erst falsch verstanden habe: Welche Gründe gibt es für einen flacheren Winkel des anderen Steuerrohrs? Also das Steuerrohr, in dem der Lenker sitzt und nicht die Gabel. Beim Babboe City ist dieses Rohr z.B. fast parallel zum Sattelrohr - was ich als durchweg nachteilig empfinde.
Einer der großen Vorteile des Long Johns ist ja eigentlich dass durch die unterschiedlichen Winkel von Sattelrohr und Lenkrohr der Rahmen nach oben hin für größere Fahrer größer wird, und auf einem Rad Fahrerinnen unterschiedlicher Größe eine gute Position einstellen können. Wenn Lenkrohr und Sattelrohr fast parallel sind klappt das nicht, und das finde ich auch nachteilig. Ist auch beim Omnium so, aber da gibt es wenigstens verschiedene Rahmengrößen.
 
Einer der großen Vorteile des Long Johns ist ja eigentlich dass durch die unterschiedlichen Winkel von Sattelrohr und Lenkrohr der Rahmen nach oben hin für größere Fahrer größer wird, und auf einem Rad Fahrerinnen unterschiedlicher Größe eine gute Position einstellen können. Wenn Lenkrohr und Sattelrohr fast parallel sind klappt das nicht, und das finde ich auch nachteilig. Ist auch beim Omnium so, aber da gibt es wenigstens verschiedene Rahmengrößen.
Nach meinem Verständnis liegen beim Long John zwischen Lenkrohr und Steuerrohr so um die 60 cm oder mehr...
 
Interessante Frage. Flattern könnte ein Punkt sein. Auch der Kraftfluss ist bei den meisten Long John Konstruktionen günstiger, wenn der Steuerrohrwinkel flacher ist.

Da ich den Titel erst falsch verstanden habe: Welche Gründe gibt es für einen flacheren Winkel des anderen Steuerrohrs? Also das Steuerrohr, in dem der Lenker sitzt und nicht die Gabel. Beim Babboe City ist dieses Rohr z.B. fast parallel zum Sattelrohr - was ich als durchweg nachteilig empfinde: Das Rad passt sich nicht so gut verschieden großen Menschen an und die Ladefläche wird kürzer. Nagut, die Krafteinleitung am Hauptrohr könnte profitieren.
Ein flacheres Lenkrohr fühlt sich natürlicher an und lässt sich besser einhändig lenken.

Edit: diese Antwort bezieht sich explizit nur auf die Frage nach dem Lenkwinkel (=Lenker), nicht nach dem Gabelwinkel.

t.
 
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