Selbstaufbau: Libelle

So, das Rad ist jetzt im Wesentlichen fertig und ist auch schon an die tausend Kilometer gefahren, Zeit für ein vorläufiges Fazit.
Ich greife noch mal die Wunschvorstellungen aus dem ersten Post auf, denn daran muss es sich ja messen.

Muss
  • Zweirad
  • Leicht (<20Kg). Jedes Fahrrad muss früher oder später getragen werden, oder zumindest angehoben.
  • Schnell. Kindertransport muss zügig sein, weil eine viertel Stunde längere Fahrt der Unterschied zwischen fröhlichen Glucksen und wütendem Schreien sein kann.
  • Zum Transport eines Kindes und leichter Lasten. Schön wäre natürlich ein Flachbett um größere Dinge zu transportieren, leider habe ich nur nie etwas größeres zu transportieren.
  • Ohne Motorunterstützung - in der Stadt und im Flachland benötige ich im Moment noch keinen Motor, und ich scheue das Gewicht, die Kosten und die mechanische Komplexität.
  • Sportliche Position, oder zumindest nicht vollständig aufrecht, was ich als sehr unbequem empfinde
  • Groß genug um Wasserkästen und Einkäufe zu transportieren
  • Hydraulische Bremsen, ich verabscheue mechanische Scheibenbremsen (nach meinen Erfahrungen mit denen vom Veleon)
  • Bequem fürs Kind. Fast alle Lastenräder, auch das Veleon, haben harte Holzbänke oder lassen die Kinder auf dem Boden sitzen... Wer fährt so gerne Fahrrad? Ein Lastenrad für ein Kind sollte mindestens so bequem sein wie ein Fahrradkindersitz oder ein Anhänger.
  • Nabendynamo. Beim Veleon war's Batteriebeleuchtung, was im Alltag nervt.
  • Soweit es geht sicher fürs Kind.

Sollte
  • Das Kind sollte selbst in die Kiste klettern können. Macht das Leben einfacher und dem Kind mehr Spaß.
  • Sollte in der Lage sein einen Erwachsen zu transportieren. Ist natürlich nicht sehr nützlich, aber spaßig.
  • Gefedert. Die Federung des Veleons war sehr gut und oft sehr hilfreich.
  • Passt in einen Fahrstuhl und die U- und Fernbahn.


Nach den Erfahrungen mit einem (neigefähigen) Dreirad wollte ich unbedingt ein windschnittiges Zweirad (der Wind ist Norddeutschlands Gebirge). Ich habe nur wenig Erfahrungen mit anderen Lastenrädern (das Veleon eben und einen Tag ein Bullitt), aber die Libelle kommt mir relativ schnell vor. Da ich sehr zufrieden ohne Motor unterwegs bin, ist Gewicht und eine effiziente Schaltung natürlich besonders wichtig.
Was den Transport angeht muss man sagen, dass sich ein Kind sehr bequem auf längeren Strecken transportieren lässt (wegen der bequemen Sitzposition und dem tiefen Einstieg), aber natürlich kein Caprio-Gefühl aufkommt, und auch kein schnelles raus- und reinspringen. Das ist natürlich ein zwingender Kompromiss dieser Konstruktion. Auch kann meine Tochter (noch) nicht selbst einsteigen, was ich schade finde. Dafür gefällt mir aber natürlich die geschlossene, und dadurch relativ sichere Bauform. Klar kann man auf dem Rad keine sperrigen Möbel etc transportieren, aber es passt mehr Einkäufe in das Rad als ich tragen kann, und erheblich mehr als ich normalerweise kaufe. Allerdings habe ich das noch nicht mit Kind zusammen ausprobiert. Meinen Weihnachtsbaum habe ich jedenfalls mit einem Klara Bullitt transportiert.

Ich empfinde auch die Fahrer-Sitzposition sehr angenehm sportlich, und das Rad "liegt" gut auf der Straße. Ich kann es nur mit dem Bullitt und dem Veleon vergleichen. Das Bullitt war mir zu nervös (konnte kaum einhändig fahren), das Veleon zu Spur-Stur. Ebenso wichtig ist aber, dass auch meine Partnerin gerne mit dem Rad fährt, was beim Veleon gerade nicht der Fall war (und beim Bullitt glaube ich auch nicht der Fall gewesen wäre).

Der Traum von hydraulischen Hinterradbremsen ist leider nicht wahr geworden, durch die Teilung muss die teilbare Libelle eine mechanische Scheibenbremse hinten haben. Man kann auch mechanische Scheibenbremsen gut hinbekommen, aber nie so gut wie hydraulische, und das macht nicht unbedingt glücklich.

Es scheint durchaus bequem fürs Kind zu sein, sie schläft in der Regel ein, was im Veleon nicht möglich war. Dazu eine Decke und eine Wärmflasche unter den Sitz, bequemer geht es nicht. Die Fenster/das Verdeck lässt sich in verschiedenen Variationen hochstecken, so dass es sogar bei Regen als Regendach fungiert und das Kind trotzdem "bei offenem Fenster" rausgucken kann (hilft wenig wenn man von Autos mit Pfützenwasser begossen wird :cautious:). Das scheint erst mal nicht so entscheidend zu sein, ist es für Kleinkind dann aber im Zweifel schon.

Ich wollte das das Fahrrad möglichst sicher ist für den Kindertransport, aber kann das natürlich kaum bewerten (zum Glück!). An sich gibt mir die Kiste um das Kind herum relativ viel Vertrauen für nicht-katastrophale Unfälle (etwa vom Weg abkommen und gegen einen Baum prallen). Natürlich kann kein Fahrrad vor einem LKW-"Übersehen"-Unfall schützen. Im Vergleich zum Veleon fühle ich mich aber sicherer, der Sitz und die Gurte sind einfach besser. Und im Vergleich zu einem normalen Kindersitz ist es natürlich viel sicherer gegen schnödes Umfallen.

Was ich wirklich am Veleon mochte war die Federung, die ich in meinem Aufbau ebenfalls habe. Funktioniert aber nicht so gut wie gehofft und hält dem Vergleich nicht stand -- zwei gefederte Vorderräder sind schon echt gut. Es nimmt aber zumindest die härtesten Stöße raus, für mehr muss man vielleicht auch einfach mehr investieren...

Ich transportiere das Rad regelmäßig im Fahrstuhl und trage es die Treppen hoch. Was das angeht gibt es glaube ich im Moment nichts besseres.


Der Preis

Insgesamt komme ich auf 4204€ (Nur Teile, ohne Arbeitszeit, ohne Werkzeug, ohne Schloss). Überraschenderweise kommt die teilbare Libelle "von der Stange" inkl Kindersitz, Spiegel und Netz auf 4055€, also 150€ drunter, wobei die Federgabel allein rund 200€ Mehrkosten verursacht. Geld habe ich jedenfalls nicht gespart, aber es ist auch nicht dramatisch teurer geworden :unsure:.


Gewicht

Die "offizielle" Libelle wiegt bei 23Kg (teilbar), bzw 21Kg (nicht-teilbar). Ich komme jetzt auf 24-25Kg, dabei sind allerdings auch 2,6Kg für Federung und Schloss beinhaltet, wäre also irgendwo bei 21,5 Kg. Würde man den Gepäckträger und Schutzbleche abbauen wäre man bei ungefähr 20Kg (~18Kg nicht-teilbar), was ich ziemlich beeindruckend finde (und meinem Traumgewicht entspricht). Zum Vergleich, ein Bullitt mit Canopy, Faltsitz und Honeycomb Board ist jenseits der 34Kg.

Wichtiger als das Gesamtgewicht ist aber in der Praxis die Teilbarkeit, und dass der schwerere Vorderteil unter 15Kg wiegt. Das können auch weniger-kräftige Menschen eine Treppe hoch tragen oder in eine Bahn wuchten. Ich nutze die Teilbarkeit mittlerweile mehrmals die Woche und kann nicht mehr ohne.


Was besser sein könnte

Wo Licht ist ist auch Schatten, hier sind ein paar Dinge die mir bei meinem Aufbau nicht gefallen:

  • Die SRAM-Schaltung hat sich nicht 100% bewährt. Man merkt ihr einfach an dass sie auf den Sport- und Renneinsatz getrimmt ist. Extrem schnelle, aber auch sehr laute Schaltvorgänge, sehr geringe Toleranzen. Dafür aber auch ziemlich leicht und mit großer Bandbreite.
  • Hinterradbremse, wie schon mehrfach beklagt.
  • Wie bei allen Lastenrädern von kleinen Anbietern hat man seeeeehr lange Lieferzeiten, aber das Problem wird sich mit steigender Kapazität hoffentlich von selbst lösen
  • Leider ist es für ein kleines Kind nicht leicht selbst einzusteigen
  • Für mich könnte die Kiste sogar noch etwas größer sein. Es ist aber möglich die Libelle anders bauen zu lassen
  • Der Carbonrahmen kann sich beim starken Bremsen leicht verwinden. Das darf und soll so sein, und hilft Vibrationen zu dämpfen was den Fahrkomfort verbessert, sieht aber komisch aus
  • Die Carbonoberfläche ist ziemlich kratzempfindlich. Kann man alles rauspolieren, ist aber natürlich trotzdem doof.
  • Die Libelle ist glaube ich wieder in Farbe zu haben, aber als ich sie gekauft habe gab es sie nur in "Carbon". Sehr cool, aber auch Nachts geradezu aggressiv unsichtbar. Leider gibt es keine eingebauten Reflektoren wie z.B. beim Urban Arrow. Ich hoffe sie heißt sich im Sommer nicht zu stark auf...
  • Relativ großer Wenderadius, im Vergleich z.B. zum Bullitt, was das rangieren nicht einfacher macht
  • Leider gibt es kein richtiges Händlernetz das die Libelle vorrätig hat, ich behaupte sogar die meisten Händler haben auch noch nichts davon gehört. Testfahrten sind daher vergleichsweise umständlich.

Das ist was mir nach den ersten drei Monaten aufgefallen ist.
 
Ich finde die Libelle eigentlich auch super. Leider für meine Arbeit nicht geeignet :confused:. Für die hintere Bremse gibt es sicherlich eine Lösung. Die größte Bremsleistung wird aber von der Vorderbremse gemacht. Von daher nicht so dramatisch. Die Oberfläche kann man mit 2K Bootslack lackieren.Mit der Firma: v. Höveling (DD-Hartlack) habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Harte Oberfläche und sehr gut zu polieren. Stinkt aber bestialisch bei der Verarbeitung! Leider durch die neue Chemieverordnug nur für gewerbliche Anwender zu bekommen. Alternativ gibt's von Wilckens Lack für Normalsterbliche. Keine Ahnung wo der Unterschied ist.
Reflektoren kann man nachrüsten. Es gibt auch fast schwarze Reflektorfolie.
Viel Spaß mit der Libelle! (y):)
 
Die Libelle ist glaube ich wieder in Farbe zu haben, aber als ich sie gekauft habe gab es sie nur in "Carbon". Sehr cool, aber auch Nachts geradezu aggressiv unsichtbar. Leider gibt es keine eingebauten Reflektoren wie z.B. beim Urban Arrow. Ich hoffe sie heißt sich im Sommer nicht zu stark auf...
Als wir unsere Libellen bestellt/gekauft haben, könnten wir sie "ab Werk" foliert haben. Ist zwar auch kratzempfindlich, aber bietet einen gewissen Schutz.
 
Als wir unsere Libellen bestellt/gekauft haben, könnten wir sie "ab Werk" foliert haben. Ist zwar auch kratzempfindlich, aber bietet einen gewissen Schutz.
ich glaube das ist wieder möglich, bei uns ging das leider nicht. Ich habe versucht Angebote für Folierung von Folierer in Hamburg einzuholen, die Kosten waren aber jenseits von 1500€, was für mich zu viel war. Ich habe auf ein paar kritische Stellen Kratzschutzfolie geklebt (aus dem Automobilbereich), das hilft schon etwas
 
Wenn ich mir das Lenkgetriebe anschaue, habe ich so meine Fragen/Zweifel. Der Anschluss Lenkhebel zum Lenkarm hat nur einen horizontalen Drehpunkt. Lenke ich jedoch ein, neigt sich die Lenkstange auch vertikal. Insbesondere im Zusammenspiel mit der Federgabel werden die vertikalen Bewegungen verstärkt. Hier müssten starke Kräfte auf den Lenkhebel in Carbon wirken. Ich fürchte Brüche/Haarrisse. Ich hoffe jedoch nicht, dass der Spaß mit einem kalkulierten Spiel der Bolzen geregelt wurde. Wäre getriebetechnisch murks...
 
Wenn ich mir das Lenkgetriebe anschaue, habe ich so meine Fragen/Zweifel. Der Anschluss Lenkhebel zum Lenkarm hat nur einen horizontalen Drehpunkt. Lenke ich jedoch ein, neigt sich die Lenkstange auch vertikal. Insbesondere im Zusammenspiel mit der Federgabel werden die vertikalen Bewegungen verstärkt. Hier müssten starke Kräfte auf den Lenkhebel in Carbon wirken. Ich fürchte Brüche/Haarrisse. Ich hoffe jedoch nicht, dass der Spaß mit einem kalkulierten Spiel der Bolzen geregelt wurde. Wäre getriebetechnisch murks...

Ich kann dazu nicht so viel sagen, ich habe wenig Ahnung von Carbon als Werkstoff. Deshalb habe ich direkt beim Nutzradstudio nachgefragt und bekam folgende Antwort von Thomas:
Bezüglich des Lenkhebels gibt es zwei Effekte.
1. Das Einlenken hat gar keinen Einfluss auf die Belastung des Lenkhebels, da die Achse der Lenksäule und der Gabel dieselbe Neigung haben. So Bewegt sich der Lenkhebel beim Einlenken genau so weit nach oben wie der Anlenkpunkt an der Gabel (anders als bei vielen anderen Lastenrädern, wo die Lenksäule mehr oder weniger senkrecht steht). Bein Einlenken kann man gut sehen, dass die Lenkstange parallel zum Boden der Kabine bleibt.
2. Die vertikale Bewegung der Federgabel führt tatsächlich zu einer leichten Torsion des Lenkhebels. Da könntest du mal folgendes testen. Löse doch bitte mal die Lenkverbindung vorne an der Gabel und bewege sie soweit rauf und runter wie sie beim Einfedern der Gabel max. bewegt wird. Dabei sollten nur geringe Kräfte spürbar sein, die in der Normalposition (Einfederung bei mittlerer Last plus Fahrer im Stand) etwa zu null werden. Falls der Nulldurchgang nicht in diesem Bereich liegt, könntest du die Lenkstange entsprechend nach richten.
Zur Erläuterung: Der Lenkhebel an der Lenksäule hat ja zwei flache Carbonarme, die diese Bewegung elastisch aufnehmen. Die Belastung ist am geringsten, wenn die Kraft nach oben und unten etwa gleich ist. (Das Spiel im Lager ist hier übrigens kein "Konstruktionsfaktor").
Ich hatte das im Sommer schon getestet, die Einfederbewegung ist noch locker innerhalb des Lagerspiels, und benötigt keine Torsion des Lenkhebels. Beim Einfedern fühle ich keinen Lenkeinfluss, selbst dann nicht wenn ich mich sehr darauf konzentriere. Ich würde jedenfalls nicht mehr auf die Federgabel verzichten wollen.
 
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