Intelligente Lastenradförderung?

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Hellas. Vorhin wurde ich vom Verkehrsreferenten unserer kleinen Stadt aufs Thema Lastenradförderung angesprochen. Die haben im Haushalt Budget dafür eingestellt, wissen aber noch nicht wie es verteilt werden soll.
Die erste Idee war finanzielle Unterstützung bei Neukauf
Da kann man einige wenige fördern, dann ist das Budget weg.
Die andere wäre die Bereitstellung eines freien lastenrades. Da hätten vermutlich mehr Leute was davon?
Was meint das Volk? Vielen Dank schon mal!
 
Grundsätzlich wäre ich für ein freies Lastenrad. Wobei auch das meist nur von wenigen Menschen - intensiv - genutzt wird. Wenn der Titel im Haushalt groß ist, dann ist eine individuelle Förderung natürlich klasse.
Das wird man wohl alles erst sehen, wenn das eine oder das andere beschafft / eingeführt wurde.
 
Freie Lastenräder sind nett, aber m.M.n. wäre es besser den Kauf zu bezuschussen. Eine Bewerbungsphase, anschließend öffentlichkeitswirksame Auslosung. Familien mit Kindern bekommen pro Kind ein weiteres Los. Gewerbliche Kandidaten bekommen einen kleinen extra-Topf und sind ansonsten raus. Dazu das Versprechen, bei Bedarf nochmal eine Förderung aufzulegen und die Bezuschussung von Fortbildungsmaßnahmen für örtliche Fahrradtechniker, die sich im Gegenzug verpflichten (Lasten)räder egal welches Herstellers in den Service zu nehmen. Auch das ließe sich ja gut in der Öffentlichkeitsarbeit verankern ("Cargo-Kompetenzzentrum" oder so).
 
Bereitstellung eines freien Lastenrades.

Hmm, wenn nur ein freies Lastenrad gestellt wird, dann scheint das Budget ja nicht so groß zu sein.

Die Frage, die sich bei einem freien Lastenrad, noch auf tut und die im Vorfeld geklärt werden sollte: Wer kümmert sich um das Lastenrad - Verleih / Wartung / Reparatur / Unterbringung - ein Verein / die Stadt / Läden vor Ort / die Pastorin?
 
Das hängt m.E. von verschiedenen lokalen Faktoren ab.

Einerseits vom Budget. Ich tippe mal auf um die 5-10k, die zur Verfügung stehen.

Andererseits von der Strukturen im Bereich Ehrenamt vor Ort. Dh, gibt es Leute, die bereits sind, ehrenamtlich freie Lastenräder organisatorisch und rein praktisch zu betreuen. ADFC, VCD, Grüne, BUND, aber auch Sozialverbände und Tourismusverband wären Ansprechpartner, je nachdem, wie sie aufgestellt sind.

Verwaltungsstrukturen zur Verteilung von Fördergeldern. Wenn die zu lahm sind, kann das Ganze nach hinten los gehen (siehe Berlin 2019/2020) und zu Kaufzurückhaltung und Frustration führen.

Freie Lastis
Grundsätzlich hat ein gut gemachtes, viele lokale Akteure einbindendes Konzept für freie Lastenräder nach meinem Dafürhalten mittelfristig mehr Hebelpotential. Aber nur dann, wenn genügend Aktive vor Ort mithelfen. Es sollte eine gewisse Dichte an Rädern, bei 20k Einwohnern schon 2-3+, vorhanden sein, um die Ausleihe attraktiv und bequem zu machen und den Aufbau von Strukturen sowie das Engagement lohnenswert erscheinen zu lassen.

Was sehr wichtig ist:
Es kann sein, dass es bereits inoffiziell/privat geteilte Lastenräder gibt, die über das Projekt bzw. Unterstützung bei Wartung/Versicherung mit einbezogen werden können. Bei fLotte Berlin gibts auch Räder, die Private eingebracht haben, ohne das Eigentumsrecht abzugeben. Das hängt aber wie gesagt in höchstem Maße v.a. von der 'alternativen' Szene vor Ort ab.

Kostenpunkt:
ca. 2,5k/Rad initial und 500.-/Rad/Jahr (Versicherung und Wartung) + ein paar Euro evtl. für nen Serverbetrieb (muss aber nicht sein). Erfahrungsgemäß gibt es, sofern das Konzept gut ist, relativ viele Akteure vor Ort, die Räder (evtl. mit Werbung -> Alnatura zB, ist aber so ne Sache) bereitsstellen oder finanzieren. Problematisch ist eher die dauerhafte Finanzierung von Versicherung und Wartung bzw. Projektsteuerung.

In Berlin ( https://flotte-berlin.de/ ) funktionierts, basierend auf viel ehrenamtlicher Arbeit und inzwischen einzelnen Hauptamtlichen. Software usw. gibts ausgereift, eingespielte Abläufe und Prozesse können von bestehenden Projekten übernommen werden. Einfach dort nach Erfahrungen fragen, die Aktiven geben nach meinen Erfahrungen gerne Auskunft und helfen weiter.


Mögliche Effekte:
Hebung zivilgesellschaftlichen Potentials,
Vernetzung von Akteuren (Radszene, soziale Einrichtungen als Entleihorte, Gewerbetreibende, Radwerkstätten usw.),
niederschwellige Testmöglichkeiten von Rädern,
Präsenz von Lastis im öffentlichen Raum,
Entleihbare Lastis für zivilgesellschaftliche Aktionen ( zB https://flotte-berlin.de/coronahilfe-zwischenbilanz/ ),
grundsätzlich kann jeder mitmachen/mitnutzen (ohne Geld)
wenns gut gemacht ist und läuft: evtl. Einwerbung weiterer Finanziers/Lastenräder
usw.


Direkte Förderung
Hauptvorteil hier: Fire and Forget, kaum Aufwand (aber auch zivilgesellschaftliches Potential) abgesehen von der Verteilung der Gelder. Potentiell kann angenommen werden, dass auch diejenigen, welche nicht das Glückslos ziehen, trotzdem ein Lasti kaufen werden. Ob das so ist - keine Ahnung.

Hier sehe ich (neben der Gefahr einer Kaufzurückhaltung) ein Problem: entweder es werden viele mit einem geringen Betrag (bei 10k und 200.-/Lasti zB 50 Personen) oder wenige mit einem 'hohen' Betrag (500.-/Lasti -> 20! Personen) gefördert. Die 200.- wird ne reine PR-Sache werden, die auf Mitnahmeeffekte hinausläuft, von den 500 werden nur sehr wenige profitieren.



Das ist letztlich ne politische Entscheidung. Privater Konsum/Besitz vs. zivilgesellschaftlich vermitteltem Gemeineigentum.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, da ist dann halt die Frage, wie klein die "kleine Stadt" ist und wie groß die (organisierte) Fahrradszene, die dann die ehrenamtliche Organisation übernehmen soll. Von außen herangetragene, ehrenamtliche Arbeit ist ja immer so eine Sache.
Bist du fester Ansprechpartner des Verkehrsreferenten weil ihr organisiert seid, oder weil du ein Bekannter bist und es eben an (öffentlich bekannten) Ansprechpartnern fehlt? Das gäbe ja Hinweise auf das Potential.
Aus eigener Erfahrung finde ich, das private (geförderte?)Lastenräder sehr wohl Tiefenwirkung entfalten, durch die vielen Gespräche, die sich immer wieder im Alltag ergeben und durch das langsame Umdenken im Bekanntenkreis, der tagtäglich erlebt, dass Lastenräder alltagstauglich sind. In unserm Umkreis sind es bisher 2 weitere Lastis in 2 Jahren, die wir mit ins Rollen gebracht haben. Hier in der eher ländlichen Region ginge von 20 weiteren Lastis im Straßenbild eine beachtliche Signalwirkung aus, da sie auffallen. Wenn sie eh schon in größerer Zahl zum Straßenbild gehören, entfällt das.
 
Völlig richtig. Es sind, wie gesagt, zwei völlig verschiedene Stoßrichtungen. Eigentlich gehören die auch kombiniert, um verschiedene Interessentengruppen anzusprechen und die jeweiligen Potentiale auszuschöpfen. Nur ging es ja gerade darum, wie knappe Ressourcen eingesetzt/verteilt werden sollen.

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In seinem Profil findet sich (vermutlich) die Stadt - Mühldorf am Inn, 20k Einwohner. Oder...? ;)
 
Ich bin nur der wahrscheinlich auffälligste Lasten Rad Fahrer in der Stadt und darum wurde ich gefragt
 
Gibt es Mut zum Risiko? Dann probiert eine Kaufpreisförderung bei einem lokalen Händler vor Ort. Der ist sowieso wichtig für Wartung/Pflege. Das eine freie Rad steht am Ende rum, das Geld ist aber Weg. Kaufpreisförderung ist nur weg, wenn tatsächlich jemand kauft und fährt. Und am Ende wird es günstiger wieder verkauft und es gibt mehr gebrauchte Lastenräder. Was ja auch gut ist.

In Hessen gibt es vom Land die Möglichkeit, kostenlos Lastenräder zum Testen zu ordern.

Das wäre wohl die beste Kombination: Lastenrad kostenlos vom Land zum leihen, parallel Kaufpreisförderung für den Fahrradhändler vor Ort.
 
… und die Bezuschussung von Fortbildungsmaßnahmen für örtliche Fahrradtechniker, die sich im Gegenzug verpflichten (Lasten)räder egal welches Herstellers in den Service zu nehmen.
Das ist die beste Idee, die ich jemals über Lastenradförderung gelesen habe. Ansonsten lehne ich es ab, irgend jemandes Fahrrad/Auto/Wanderschuhe über meine Steuern zu finanzieren.
 
Oi, die hab ich echt überlesen. Definitiv. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob und inwieweit das haushalterisch/rechtlich hinkommt.

Wobei das durchaus auch am schlichten Platzmangel bei den Händlern/Werkstätten scheitern kann.
 
Na dann passts ja - ich hatte mich von "Hessen" oben irritieren lassen. Die NRVP-Seite ist für sone Infos wirklich gut.
 
Genau das richtige bundeslsnd
Fast, denn dazu braucht es noch die richtigen Lokalpolitiker. Habs vorhin direkt mal an einen Bekannten (Gemeinde- und Kreisrat) weitergeleitet, der hat dann erst mal davon gefaselt dass das Tourismuskonzept mit Radverleih gescheitert sei. Hab ihn jetzt erst mal aufgeklärt dass die n+1 Pkw-Denke die falsche ist...
 
"will" ist wohl korrekt. Bedenke, dass es hier um Routinen und Bequemlichkeiten geht.

Die Vermittlerfunktion zwischen Forschung/Wissensstand und Entscheidern ist eigentlich klassische Lobbyfunktion von Interessenverbänden.


Was bei uns im Bezirk ganz gut funktioniert (hat): Einen Politiker/Fraktion finden, der es verstehen will und nicht total abseits steht (hier die Grünen). Über diesen Anträge einbringen und bei Bedarf beraten sowie in Persona auf Sitzungen vorstellig werden und Bedenken ausräumen. Wichtig dabei: Irgendwer in der Verwaltung sollte Bock auf das Thema haben (war hier gegeben).
Ergebnis hier: Bezirk kriegt demnächst 10 weitere (geförderte) fLotteräder. Zeitdauer: ca. 1 Jahr. Also voll im Rahmen. ;)




Ironie des Ganzen: Gerade Klein und Mittelstädte sind prädestiniert für den RV.


Anleitung zum Verleih gibts i.Ü. hier:

Auch interessant, die Städteliste mit Verleihsystemen:
 
Ich habe das ganze auch gleich einer von zweien Grünen in unserem Marktrat geschickt :D
Danke für den Link. Mal sehen ob das was wird ...
 
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