Die Werkstattabenteuer der Kaffeetanne

Wie viel ungefähr sind 4 Postradjahre eigentlich in Kilometern? Gibt's da Anhaltspunkte?
 
Bei der Kettenschmierfrage kam ja gerade ein interessanter Aspekt auf: Durchgehende Hülse oder nicht? Die Kontaktfläche ist bei durchgehender Hülse größer und die Mitte der Kontaktfläche ist weiter vom äußeren Umfeld entfernt, mit Vor- und Nachteilen.
Eure Postrad-Ketten halten ja offenbar extreme Vernachlässigung aus - haben die durchgehende Hülsen?
Lass dich nicht verwirren. Breite 1/8 Zoll Ketten kommen fast immer als klassische Rollenketten mit Hülse daher. Nur sehr billige Ketten wie z.B die "KMC S1" kommen als Lagerkragenkett daher, bei denen die Rolle auf den Auskragungen der Laschen gleiten.

Diese Bauweise ist übrigens einer der Hauptgründe dafür, warum Nabenschaltungsketten deutlich längere Standzeiten haben, als ihre Geschwister für Kettenschaltungen. Letztere müssen Konstruktiv bedingt nicht nur schmaler sein um die vielfachen Gänge am Rad unterzubringen, sondern brauchen auch mehr seitlichen Flex, weshalb diese stets als Lagerkragenkette (Ausnahme hochwertige 3/32 Zoll Ketten für 6/7-Fach Schaltungen) ausgeführt werden.

In Posträdern werden ab Werk günstige Ketten aus dem Einstiegssegment verbaut, meist irgendwas von KMC. Warum die trotzdem Vergleichsweise lange durchhalten, habe ich ja gerade ausgeführt.

Wie viel ungefähr sind 4 Postradjahre eigentlich in Kilometern? Gibt's da Anhaltspunkte?
Das ist schwer zu sagen, schließlich hängt das nicht zuletzt von der Größe des Bezirks, und auch dem Anfahrtsweg ab.
Im allgemeinen kann man aber von etwas zwischen 20-30 Kilometer pro Tag ausgehen.
 
Da ich kürzlich wieder an einem gearbeitet habe:

Wie funktioniert eigentlich der Klappständer an so einem Postfahrrad?
Einfacher als manch einer vielleicht auf den ersten Blick denken mag.
Die Mechanik im inneren des Rollenständers - so die offizielle Bezeichnung - besteht lediglich aus drei Teilen. Einer Druckfeder, einem Bolzen, und einem Hebel.

Beim ausklappen wird der Bolzen durch die Druckfeder nach außen geschoben, wo er den unteren Teil des Ständers in der Rastscheibe arretiert. Beim losfahren wird der Bolzen mit einem kurzen Tritt auf den Hebel ins innere geschoben, und der Ständer wird durch die außen am Korb angebrachte Zugfeder nach oben geklappt.

Einfach, aber sehr funktional. Getreu dem KISS-Prinzip; Keep it simple, and stupid.
Einziger wirklicher Schwachpunkt ist der Fußhebel, der nach einigen Jahren Benutzung gerne mal abbricht. Da der Service aber so einfach zu bewerkstelligen ist, lässt sich das verkraften.

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Herrlich, @Kaffeetanne arbeitet auch nach dem KISS-Prinzip! Willkommen im Club ;)
Eher die Person, welche sich das ausgedacht hat. Ich hab die Ständer ja nicht gebaut, sondern halte Sie nur instand. ;)
Da der ursprüngliche Hersteller der Posträder - Mifa - in Sachsen-Anhalt seinen Sitz hatte, war der Konstrukteur vermutlich gelernter DDR-Bürger. Die Ingenieure damals dort haben ja noch gelernt ihren Kopf zu benutzen, und effizient mit den zur Verfügung stehenden mitteln umzugehen. Dazu passt dann nämlich auch diese einfache, aber unverwüstliche Mechanik.

Die Ständer eines anderen Herstellers den ich mal hier hatte, war deutlich komplexer aufgebaut. Alle schöne CNC-Teile die man freilich bei defekt nicht einfach improvisiert austauschen kann. Und öfter kaputt als die schlichte Variante aus meinem Bild.
 
Kam diese Woche ein Rad rein mit Fehlerbeschreibung: "Hinterrad schleift/blockiert, und Bremse vorn geht nicht mehr."

Auf den ersten Blick schleift das Schutzblech, weil die Stützstrebe von selbigem abgerissen ist. Also erstmal Rad raus und...what the fuck? Da fehlt doch einfach mal die Mutter auf der linken Achsseite. :oops:

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Na toll, da hat wohl mal wieder so ein Heimwerkerkönig selbst versucht das Problem zu beheben, und hinterher die Muttern nicht ordentlich angezogen. Ich kann es nicht leiden, wenn die Zusteller selbst Hand anlegen. Das bedeutet im Anschluss immer nur mehr Arbeit für mich.

Zudem war eine Schraube am Gepäckträger auch noch abgerissen. Da war ein richtiger Wüterich am Werk. :rolleyes:
 
Für Autos gibt es doch abschließbare Radschrauben, ob es sowas auch als Radmutter gibt? :giggle:

Was ist eigentlich der Plan für die Zusteller, wenn sie einen Platten haben?
 
Für Autos gibt es doch abschließbare Radschrauben, ob es sowas auch als Radmutter gibt? :giggle:
Pitlock. Wenn das Rad nochmal so zu mir kommt, werd ich meinem Chef das Thema heran tragen.
Die Räder bei uns sind ja nicht den Gebieten, sondern den Zustellern zugeordnet. Also muss ich im Zweifel nur die 2-3 Räder meiner "Spezialisten" sichern. :sneaky:

Was ist eigentlich der Plan für die Zusteller, wenn sie einen Platten haben?
Zu Fuß weiter zustellen? :unsure:
Keine Ahnung, bin hier ja nur der Werkstattjokel.

Platten sind bei uns aber auch eher selten. Die Straßen sind ziemlich sauber, und die Räder haben alle Pannenschutzreifen drauf.
Ansonsten werden die Räder bei angemeldeten Reparaturen, oder für ne Inspektion mit einem Kleintransporter geholt. Wenns mal länger dauert haben wir ein Austauschfahrrad als Reserve im Depot stehen, das dann ausgeliefert wird.
 
Nachdem ich zwischenzeitlich den jahrelangen Reparaturstau weitestgehend abgearbeitet habe, kehrt derzeit etwas Ruhe in der Werkstatt ein. Und so finde ich nun auch mal die Zeit, mich einem meiner Härtefälle anzunehmen:

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Das hier ist eines der "Dienstältesten" Fahrräder in unserem Fuhrpark. Schätzungsweise etwa 10 Jahre alt - für ein Postrad ein stattliches Alter.
Zuletzt stand der "Opa" nur noch mit Platten Reifen und ordentlich eingestaubt in einer dunklen Ecke im Lager. Zusammen mit Vier anderen ähnlich vernachlässigten Artgenossen, von denen einer bereits sein Ende beim Werststoffhof gefunden hat - der Rost hatte ihn dahin gerafft.

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Die Kette ist trocken wie die Sahara, und vollkommen verrostet, da hilft auch @Krischans Wunderöl nicht mehr.

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Der Antrieb ist ordentlich zugeschmockt. Die Kurbelschrauben waren extrem rostig, und ließen sich nur nach einem kräftigen Kriechöl-Bad davon überzeugen, ihren angestammten Platz zu verlassen.

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Auch der Sattel hats hinter sich.

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Lauffläche an den Rollen bis zum Plastik abgefahren. Das hatte ich auch noch nicht.

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Klappständer ebenfalls gut rostig, die Mechanik vollkommen verklebt mit altem Fett und Schmutz.

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Den Bolzen aus dem verklebten Ständer heraus zu bekommen war sehr müßig. Der war richtig festgebacken. Die Druckfeder innen war gebrochen, und ließ sich zum Glück leichter raus Friemeln.


Soweit zum aktuellen Stand. Nächste Woche gehts weiter!
 
Ich habe mal mit was zu tun gehabt, wo einige kleine Spiralfedern vorkamen. Der Lieferant hat in seinem Katalog vermerkt, dass man bei mehr als 100.000 zu erwartenden Belastungszyklen kugelgestrahlte Federn nehmen solle, gabs natürlich nicht in der kleinen benötigten Größe. Und tatsächlich, nach grob dieser Anzahl Zyklen fingen hier und da Federn an zu brechen. Da soll nochmal jemand sagen Theorie wäre grau oder so!
Sowas könnte es auch hier gewesen sein, das würde zu den ungewöhnlich abgenutzten Rollen passen.

Prima, dass Ihr den Weg zu guter Instandhaltung eingeschlagen habt, statt einfach runterzurocken und wegzuwerfen! (y)
 
Ich habe mal mit was zu tun gehabt, wo einige kleine Spiralfedern vorkamen. Der Lieferant hat in seinem Katalog vermerkt, dass man bei mehr als 100.000 zu erwartenden Belastungszyklen kugelgestrahlte Federn nehmen solle, gabs natürlich nicht in der kleinen benötigten Größe. Und tatsächlich, nach grob dieser Anzahl Zyklen fingen hier und da Federn an zu brechen. Da soll nochmal jemand sagen Theorie wäre grau oder so!
Sowas könnte es auch hier gewesen sein, das würde zu den ungewöhnlich abgenutzten Rollen passen.
Sehr interessante Info! Wenn ich da mal grob überschlagen davon ausgehe, das der Ständer 200 mal am Tag aus/eingeklappt wird, und bei einer 5-Tage Woche mit 230 Tagen rechne, kommt man bereits auf 46.000 Betätigungen pro Jahr. Heftig.

Da scheinen sich die Federn sehr gut zu halten, denn tatsächlich gehen die nur selten kaputt. Die ersten Brüche gibts meist erst wenn die Räder mal 3-5 Jahre alt sind. Insofern hab ich mir über irgendwelche Zyklen noch nie Gedanken gemacht. Zumal eine Ersatzfeder nur wenig mehr als einen Euro kostet.


Prima, dass Ihr den Weg zu guter Instandhaltung eingeschlagen habt, statt einfach runterzurocken und wegzuwerfen! (y)
Jo da bin ich auch sehr glücklich drüber. Andernfalls hätte ich den Job aber auch gar nicht übernommen, weil mich das ankotzt wenn nur rumgemurkst wird. Entsprechend mache ich meine Arbeit entweder ordentlich, oder gar nicht.

In diesem Zusammenhang kann ich ja auch mal von einem früheren Arbeitgeber aus der gleichen Branche berichten. Was ich dort damals erlebt habe steht im krassen Kontrast zu der Herangehensweise der Firma für die ich aktuell arbeite:
Die Fahrräder und eBikes dort waren zum großen Teil in einem nicht verkehrstüchtigen Zustand, eine eigene Werkstatt gab es nicht, an Werkzeug hatte man nur eine unsortierte "Kruschtkiste", mit ein paar ausgenudelten Schraubenschlüsseln & Zangen.
Jegliche Reparatur die über zwingend notwendiges wie Bremsbeläge oder Reifen hinaus ging, wurde als nicht notwendig angesehen.
Der Chef war ein Klischee BWL-Businesskasper wie er im Buche steht, und vertrat den Standpunkt, das es ihn günstiger käme alle 2 Jahre ein paar neue Räder zu kaufen, statt die alten Instand zu halten. :rolleyes:
 
Betriebswirtschaftlich kann man vom Monatsgehalt eines AN hält ungefähr ein Lastenrad kaufen. Klar gibt ganz teure und wohl auch Leute die für sehr wenig arbeiten, aber so ungefähr kommt das schon hin.
Das ist schon komisch, aber auch eindrucksvoll wie man mit dem als Messlatte seine Investitionen anders beurteilt.
Heute einen Mechaniker anzustellen benötigt schon ordentlich Finanzen!

Daher mal ein paar Fragen....
Machst du das Vollzeit?
Wieviele Räder gibt es zu betreuen?

Ich finde das schon super, habe aber schon auf viele Dinge diesen "Geld Blick".
 
Solche betriebswirtschaftlichen Betrachtungen habe ich teilweise so erlebt:
-Abteilung A wird von einem neuen Abteilungsleiter darauf hin untersucht, was sie eigentlich so tut
-Er identifiziert die Tätigkeiten, die 90% der Arbeitszeit ausmachen
-Das sind 50% der Tätigkeiten
-Die werden extern angefragt und beauftragt, die Leute rausgeworfen, unnütz, zu teuer, macht man heute ganz anders!
-Ohne die fehlenden 50% der Tätigkeiten geht es leider nicht, auch wenn sie nur 10% der Arbeitszeit ausgemacht haben
-Der Dienstleister bietet die auch noch an, leider teurer als die schon beauftragten Tätigkeiten
-Weil die einzelnen Tätigkeiten nicht so oft vorkommen und zudem Erfahrung erfordern, bekommt der Dienstleister das nie hin
-Man quält sich dahin, irgendwann kommt die nächste aussichtslose Lösung
-Die fehlenden Arbeiten werden zwangsweise von anderen Leuten im Haus erledigt, nicht so gut wie früher, aber teurer

Aus dieser Erfahrung heraus bin ich immer skeptisch, wenn jemand behauptet, etwas günstiger machen zu können, als wenn man es ordentlich macht.
 
Wenn man sich als Betrieb mit Engagement und Willen eine Tätigkeit optimiert, wird es selten gelingen die anderswo günstiger zu bekommen als die eigenen Kosten.
Klar, ein paar Ausnahmen gibt es.

Wichtig ist ja auch da den Wert der Arbeit richtig einzuschätzen. Es geht ja nicht mehr darum seine Kosten zu decken, es geht ja eher darum möglichst viel für die Arbeit zu bekommen, bzw eher die Arbeiten auszuführen die am lukrativen sind. Lukrativ ist hier nicht unbedingt nur das Geld, das hänkt dann viel an der Geschäftsform und der Führung. ;)

Aber wir driften ab.......
 
Genauso läufts... Bei uns jetzt auch wieder erlebt. Was am Ende leidet ist der Wartungszusstand der Maschine.
Wir haben zu viel zu tun, also werden Wartungen an Subunternehmer abgegeben. Jetzt zum Ende des Jahres kommen alle offenen Wartungen vom Subunternehmer zurück. Schaffen Sie dieses Jahr nicht mehr. - toll - heute wieder eine Anlage gesehen, die Prinzip seit August ohne Schmierung läuft, weil die Wartungen immer halbjährlich sind. Naja....Sone Windmühle Kost ja nix.
Und wir vergeuden unsere Zeit mit sinnfreien Aufgaben, die die Subunternehmer bei Wartungen nicht erledigt haben....
 
Betriebswirtschaftlich kann man vom Monatsgehalt eines AN hält ungefähr ein Lastenrad kaufen. Klar gibt ganz teure und wohl auch Leute die für sehr wenig arbeiten, aber so ungefähr kommt das schon hin.
Das ist schon komisch, aber auch eindrucksvoll wie man mit dem als Messlatte seine Investitionen anders beurteilt.
Das ist mir zu stark vereinfacht. Ich möchte das Thema an dieser Stelle aber nicht weiter vertiefen, das führt nur ins Off-Topic, und die Materie ist einfach so komplex, das man da direkt einen neuen Thread öffnen könnte.

Machst du das Vollzeit?
Nein, ich bin eigentlich in einem anderen Teil des Unternehmens beschäftigt. Das mit den Fahrrädern hat sich so ergeben, und läuft im Moment nebenher. Wobei sich das in Zukunft womöglich ändern könnte. Die Anschaffung weiterer Räder ist angedacht, und ich pushe das natürlich auch fleisig. ;)

Wieviele Räder gibt es zu betreuen?
Aktuell haben wir etwa 30 Räder im Betrieb.

Aus dieser Erfahrung heraus bin ich immer skeptisch, wenn jemand behauptet, etwas günstiger machen zu können, als wenn man es ordentlich macht.
Um John Ruskin zu zitieren: "The common law of business balance prohibits paying a little and getting a lot – it can't be done. If you deal with the lowest bidder, it is well to add something for the risk you run, and if you do that you will have enough to pay for something better."

Genau! Wo bleiben die Abenteuer? :giggle:
Die letzten zwei Wochen hab ich größtenteils in meinem Bastelkeller verbacht, und keine Zeit fürs schreiben gefunden. Aber keine Sorge, ich habe all meine Tätigkeiten sorgfältig mit Fotos dokumentiert, und werde euch mit neuem Stoff versorgen! :cool:
 
Ich hab mal gelesen daß, ausrangierte Posträder nicht mehr in Umlauf kommen und zerstört werden müßen . Weisst du was darüber?
Auf Postverwertungsseiten werden Fahrräder nicht angeboten.
 
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