Ich glaube, die meisten Polizisten wissen um diese etwas schwammige Regelung und haben schlichtweg keine Lust, in einer Diskussion mit dem Radfahrer den Kürzeren zu ziehen.
Ist auch meine Erfahrung und Sicht auf die Dinge. Bei zwei Dingen verstehen Polizei und Ordnungsamt in Berlin keinen Spass (sofern sie dafür Zeit haben oder sich Zeit nehmen): Rotlicht und Gehwegradeln. Ansonsten scheinen andere Dinge wichtiger.
Der thread-Eröffner fragte ja speziell nach der Situation für dreirädige Cargobikes. So eins haben wir nicht, allerdings einen Kinderanhänger (wird seltenst benutzt, da wir
zwei Cargobikes haben mittlerweile) . Meiner Beobachung nach machen hie und da ein paar Dreiräder-Cargos auf der Straße den Berliner Stau auch nicht wesentlich schlimmer. Polizei und Rettungskräfte scheinen das auch so zu sehen, selbst dann, wenn eine sehr selten ausgeschilderte Benutzungspflicht für den Hochbordradweg besteht.
Wenn die Einsatzfahrzeuge es eilig haben, dann wird inzwischen nicht selten mal in Gegenrichtung, also auf der falschen Fahrbahn gefahren, auch und gerade bei Fahrbahnteilern! Finde ich heftig, teils, kann aber die genervten Rettungskräfte und Polizisten auch wieder verstehen. So Petitessen mit diesen Benutzungs-Schildern, das wird (wie vieles in dieser Stadt) eher sportlich gesehen. Natürlich nicht von den normalen Autofahrern, deren viele verhinderte Pädagogen sind. Nun ja.
Falls aber mal ein Polizist tete a tete einen Sachverhalt zur StVO mit mir diskutiert, so ist meiner Erfahrung nach die Rechtssicherheit Radfahrer-Belange betreffend nicht sehr hoch. Leider. Ich achte deren Job und möchte beileibe nicht tauschen müssen, nicht selten gibt es außerdem berufliche Berührungspunkte. Aber es ist schon ganz offensichtlich in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Autofahrer-Perspektive, die die Polizisten vom Privatleben in das Berufliche hinein mitnehmen.
Übrigens: Mein einziges Verwarnungsgeld als Radfahrer habe ich in den Neunziger Jahren an einem 1.Mai in Kreuzberg kassiert, natürlich auf dem Weg zu einem Mai-Fest. Das Rad war unbeleuchtet bei mittlerweile Dunkelheit, ich kreuzte eine Straße auf dem Radweg in falscher Richtung fahrend bei Rot (Straßen waren frei) und hatte hinten auf dem Gepäckträger einen Freund sitzen (Erwachsener), der was rauchte. Die sichtlich genervten angereisten Einsatzkräfte aus anderen Bundesländer, zur Unterstützung der Berliner Polizei anwesend, standen an genau der Ecke herum (... arbeiten am 1.Mai bei schönem Wetter, hunderte Kilometer weg von daheim) und einer rief: "Absitzen!". Wir riefen, so im Spass (Bierlaune), zurück: "Aufsitzen!". Und hatten prompt zweie von der Hundertschaft am Hals. Es folgten Diskussionen, das Aufzählen von StVO-Verstössen, unser Beteuern, dass es nicht wieder vorkommen solle, und endete mit einem Verwarnungsgeld von 5,-DM (fünf!), vor Ort gegen Quittung zahlbar. Die Quittung sah sehr merkwürdig aus, aber es waren eben auch Einsatzkräfte aus einem anderen Bundesland. Na, Jugendsünden. Seitdem: Nichts mehr. Außer einmal Rotlicht auf dem Weg zum Halbmarathon, in Sorge ums Zuspätkommen zum Start. Innenstadt, fast am Zoo. War doof, die standen da eh überall herum. Eben wegen der Sperrungen zum Lauf. Gespräch zum Halbmarathon (Sportkleidung, habe keinen Ausweis, kein Geld dabei, aber meine Startnummer), dann verschwenktes Gespräch: Polizeisport, die KollegInnen, Sport ist doch juuuut, dann: "Passense mal besser uff, sie wollen ja lebend zum Start kommen!". Schulterklopfen.