Liebe alle! Die thread-Eröffnerin bat mich in einer PN, dass ich berichte, wie das bei uns war. Ab welchem Lebensalter Kindtransport im Lasti. Ich habe eine öffentliche Antwort vorgeschlagen, sie war einverstanden. So haben vielleicht auch später Mitlesende was davon.
Voraus: eine einfache Antwort gibt es nicht. Wer hier schon lange postet, wird gerne als Tippgeber und erfahren angesehen, vielleicht auch meine Person betreffend, das aber muss nichts heißen. Bei jedem von uns gibt ganz unterschiedliche persönliche Vorlieben, Wegstrecken, Ängste, Vorerfahrung, was weiß ich noch alles. Ich will lieber sehr subjektiv antworten und gerne die Übertragbarkeit auf andere in Frage stellen. Denn die Sicht auf die Dinge ändert sich. Mit dem Älterwerden, manches Mal auch einfach nur so im Rückblick. Leider fällt die Antwort daher etwas länger aus.
Unser erstes Kind haben anfangs durchweg im Kinderanhänger transportiert. Bis zum Alter von knapp zwei Jahren. Unter Verwendung der zum Start wirklich sehr guten Croozer-Hängematte. Dem guten Kommentar von
@cubernaut kann ich nur beipflichten:
An die Hängematte im gefederten Chariot mit extrabreiter Bereifung auf 0.5 bar kommt ohnehin leider kein Lastenrad ran. Da konnte ich Hamburger Kopfsteinpflaster den Berg runterbrezeln.
Andererseits waren damals die Wege länger (allein zur KiTa schon einfacher Weg nahe 10km) und wir hatten aber auch nur ein Kind. Mit dem zweiten Kind kam das Thema Zweisitzer-Anhänger und Lastenrad zeitgleich auf und wir haben nach Diskussionen zu den Fürs und Widers einfach beides gekauft (und auch beides weiterhin in Verwendung). Zum Start fand ich auch hier einen gefederten Hänger mit Hängematte Komfort- und Sicherheits-technisch überlegen, aber das Lastenradvirus kitzelte. Meine Frau war zögerlicher und hat mich deutlich dabei gebremst, eine MaxiCosi Schale für das Lasti zurecht zu sägen (war nötig, damit beide Kinder reinpassen) und mit Zurrgurten zu befestigen. Übrigens unterpolstert, wie
@cubernaut das vorschlug. In einer Nacht und Nebel Aktion habe ich das dann dennoch gemacht und war heilfroh gewesen. Gefühlt stiegen Aktionsradius und Spassfaktor enorm. Ich fahre einfach gerne Lastenrad. Ausführlich beschrieben habe ich das damals in meinem thread zum Johnny Loco Cargo Coupe Rad. Die kleine Tochter war beim ersten Transport im unbearbeiten MaxiCosi vier Monate alt und kurz darauf habe ich die Handsäge genommen und den Sitz perfektioniert (vor allem in der Breite musste was weg). Übrigens der Beginn einer Reihe von Kindertransport-Selbstbauten und Improvisationen inklusive Gurtsystem.
Und da wären wir dann schon bei Deinem Punkt: Was darf man ab wann? Ehrlich gesagt: keine Ahnung. Ich denke, dass man alles mögliche darf, wenn man Grips walten lässt und sich gerne von guten technischen Standards, zum Beispiel jenen der Autoindustrie, leiten lässt. Wenn man sich umschaut, was konfektioniert verkauft wird (damals, 2013 bis 2015, war die Auswahl deutlich schlechter gewesen). Und, natürlich, wenn man Hebammen und Kinderärzte (-ärztinnen!) fragt. Natürlich.
Aber es ist eben auch jedes Paar anders und wenn der eine Bedenken hat, dann sollte man das Ernst nehmen und besprechen. Vielleicht hat der Wagemutigere auch etwas übersehen? Unfälle passieren halt, ohne das herbeireden zu wollen, und die Art der Vorwürfe / Vorwurfshaltung ist, wenn es zum Schlimmsten kommt, eine andere, wenn man sich vorher gut ausgetauscht hat zu dem Thema. Wenn beide ein gutes Gefühl hatten und nicht der eine was macht, was der andere von Anfang an nicht gutheißt.
Ein großer Sicherheitsfaktor ist, sich Zeit zu lassen. Kinder, ganz allgemein gesprochen, eignen sich nicht, um alles im Leben zu optimieren. Manches Mal schafft man es nicht in der Zeit, kommt zu spät, es reicht schon eine vollgeschissene Windel im Treppenhaus und es geht retour, zurück auf Start. Erst im Rückblick habe ich mit Deutlichkeit erkannt, dass diese erste Zeit mit einem Kind eine tolle Chance zur Entschleunigung darstellt. Die schnöden Kinderwagen und Buggys sind dafür sogar gut geeignet. Unsere Kinder sind jetzt 3,5 und 5,5 und nicht selten fahren sie selbst Rad. Aber auch hier: Gerne lasse ich dann mal mein Rad stehen und laufe nebenbei (mal auch joggen), dann kann ich die Kleine besser "betreuen" bei ihren Radfahrstunden und der Große muss eh gelegentlich warten an der nächsten Kreuzung (leider Großstadt hier).
Zurück zum Thema, denn ich vermute mal, dass das Kindertransport-Thema bei Dir / euch sicher auch einer gewissen Notwendigkeit entspringt. Nicht immer hat die Entschleunigung Platz im Leben. Schon klar. Versucht aber trotzdem, neben technischen Sicherheitsanalysen (welcher Sitz, wie befestigt, Helm Ja/Nein) auch die Wege und Zeiten daraufhin abzuklopfen, ob ein Sicherheitspuffer gegeben ist. Für Unerwartetes, für vorausschauendes und an Verkehr und Wetter adaptiertes Fahren. Umso eher ihr euch als Paar einig seid und ein gutes Bauchgefühl bei der Sache habt, umso eher werdet ihr starten. Da wir unser erstes Kind knapp zwei Jahre ausschliesslich mit Hänger transportierten, waren bei uns die Standards gesetzt (Federung, Wetterschutz) und daran musste sich das Lastenrad messen lassen. Nicht einfach, wenn ich bedenke, was die Industrie uns an Lösungen präsentierte. Andererseits werde ich nie die riesige Freude der ersten Touren mit beiden Kindern in der offenen Box vor mir vergessen - grandios! Eben auch ein wiedergewonnenes Gefühl von Freiheit. Den Eltern darf es schließlich auch gut gehen. Dennoch, bei allem Überschwang (auch bei mir damals): es ist gut, wenn Piloten ihre ersten Flugstunden zunächst ohne Passagiere machen. Das Lastenrad kennenlernen, beladen (mit nicht lebendem Gewicht) und bei unterschiedlichen Wegen und Wetterverhältnissen. Das sollte man als erstes machen.
Alles, was ich aus fachlichen Gesprächen (Pädiater, Hebammen) zu dem Thema mitgenommen habe lief auf das Folgende hinaus:
- Früher Start möglich, wenn guter Sitz (Cosi) und vor allem umsichtige Fahrweise (auch ein Kinderwagen kann kippen).
- Jedes Kind ist anders. Manche mögen es halt nicht.
- Start mit Blick auf Eltern (Mama), also rückwärts-sitzend, kann sinnvoll sein. Nicht nur wegen Vetrautheit, mimischer Kommunikation, sondern auch, weil bei Vorausblick und den rasenden Eindrücken letztere das Kind überfordern können.
- Helmdebatte: Eigentlich klar, besser mit Helm. Der aber kann gerade beim Cosi zu einem nach vorne nicken der Halswirbelsäule führen, weil nach hinten hin der Platz für den Helm fehlt.
- Der Wechsel hin zum aufrechten Sitzen (Sitzadapter für Kleinkind, dann Bank) ist genauso von früher / später Diskussionen geprägt und aus meiner Sicht ohne abschliessendes Ergebnis.
Zuletzt: Proberunden mit einem gut gelaschten MaxiCosi sind in den meisten Lastenrad-Boxen auf die Schnelle mal möglich, mit wenig basteln. Vielleicht einfach mal ausprobieren. Man sollte aber schon wissen, was man da tut. Und: Papas haben auch Ängste, sprechen aber nicht immer von sich aus darüber.
Beste Grüße!
Manuel