Speichenbrüche

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Hallo,

bei motorrädern sind speichenräder (im großen und ganzen) ja schon seit vielen jahren durch gussfelgen ersetzt worden (ich nehme an, wegen des geringeren wartungsaufwands). Zwei fragen dazu :
1) wäre das nicht DIE lösung der speichenbruchthematik ?
2) (vor allem) wenn ja: warum gibt es bei fahrrädern keine gussfelgen ?
(genau genommen: zu geben scheint es sie ja, man sieht gaaaanz selten 'mal ("normale") fahräder mit solchen felgen)
 
Die Anforderung an Stabilität sind im Gegensatz zum angestrebten niedrigen Gewicht sehr viel geringer. Eine weitere Problematik sind die großen Durchmesser. Viele einzelne Speichen verteilen die Kräfte sehr viel gleichmäßiger als einzelne Gussspeichen und man muss den Raum zwischen den Speichen nicht mit unnötig viel Material füllen. Bei Motorgetriebenen Fahrzeugen ist Gewicht zweitrangig. Wenn man sich mal Speichenräder von Oldtimern anschaut, kommt man schnell auf die Idee das die sehr vielen, dicken und auch doppelreihig angeordneten Speichen sinnvoll durch ein Blech zu ersetzen sind.
 
Bastiean-Cargo hat doch vorne ein Vollrad. Vielleicht können die/kann er uns sagen, wieviel das wiegt?!
 
Das Vorderrad des Bastiaen Cargo ist eine Sandwichkonstruktion (Stahl/PU-Strukturschaum/Stahl). Laufradgröße ist 18" (355) und das Gewicht liegt bei saftigen 4 kg.
Derzeit entwickeln wir ein CNC-gefrästes 6-Speichenrad, dessen erste Prototypen 50% leichter sind - mit Luft nach unten. Neben der Gewichtsoptimierung steht auch die Kosteneinsparung auf der Agenda. Aluminium-Druckguss wäre natürlich die präferierte Lösung, aber Werkzeugkosten in 5-stelliger Höhe sind bei einer Serie von zunächst nur 10 Cargobikes einfach nicht zu stemmen.
Ein Bastiaen Cargo mit 6-Speichenrad wird auf der Cargobikemesse in Berlin stehen.
 
Ein Bastiaen Cargo mit 6-Speichenrad wird auf der Cargobikemesse in Berlin stehen.
Mich freut sehr, dass du zu der Messe kommst (von der ich erst gestern erfuhr). Dein Projekt verfolge ich schon lange mit Interesse!

Zu der Frage des thread-Eröffners hat ja schon bastelfreak treffend geantwortet. Ich finde darüber hinaus die folgenden Punkte erwähnenswert:

- Modularbauweise des Rades: Durch die Verwendung von Speichen lassen sich verschiedene Felgen (Weiten, Größen) und Naben (mit oder ohne Getriebe, mit oder ohne Motor) miteinander kombinieren. Das erweitert die Möglichkeiten enorm. Und lässt Spielraum für nachträglichen Umbau / Einbau.

- Reparaturmöglichkeit: In Grenzen kann eine verzogene Felge durch das Nachstellen der Speichen wieder zurechtgezogen werden, beim Vollrad geht dies nicht.

- Die Fläche eines Vollrades bietet erheblich mehr Windwiderstand von der Seite.

- Gemäss phsyikalischer Gesetze ist mehr Gewicht am Laufrad (Vollrad) besonders ungünstig (ungünstiger als Mehrgewicht am Rahmen).

- Die Verletzungsgefahr wird durch eine hohe Zahl dünner Speichen gegenüber wenigen dicken Speichen minimiert.

Mein Eindruck ist (wissen tue ich es nicht), dass das Weiterverfolgen der Technologie Laufrad-mit-Speichen auch wesentlich mit dem Vorhandensein von Einspeichmaschinen zu tun hat. Dergestalt, dass nur noch selten händisch eingespeicht wird und in der Regel nur eine manuelle Nachkontrolle und Feinjustierung erfolgt. Sonst wäre das Ganze nicht mehr hinreichend ökonomisch zu machen. Hierin liegt vielleicht auch das eine Problem begründet, dass einerseits viele Laufräder klaglos ihre Arbeit verrichten, während hie und da immer wieder einmal Berichte von ab Werk problematischen Speichen / Laufrädern auftauchen. Der Kunde als Produkttester. Es scheint ein sehr filigranes Werkstück, dessen Qualität nun mal schwankt und welches doch mehr Fürsorge benötigt, als Industrie-seitig zugestanden wird. Dass immer mehr Leute das Selbereinspeichen lernen und mit Laufrädern experimentieren ist wohl Abbild dieser industriellen Verflachung rund um eine an sich geniale Erfindung.
 
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Das Vorderrad des Bastiaen Cargo ist eine Sandwichkonstruktion (Stahl/PU-Strukturschaum/Stahl). Laufradgröße ist 18"
Der Ansatz von Bastiaen ist eine Spezialität. Hier geht es um den Nachbau einer Achsschenkellenkung beim Einspurer, wie man sie eher von Mofas her kennt (ItalJet). Und es geht um den Plan, anstelle des Ausweidens von Mofateilen besser eine auf das Lastenrad zugeschnittene Neukonstruktion zu wagen. Ein tolles und scheinbar ja auch vollkommen gelungenes Projekt, konsequent umgesetzt. Glückwunsch dazu!

Dass das vergleichsweise kleine vordere Laufrad bei Bastiaen (18") als Vollrad ausgeführt wird, hat sicher viele Gründe, entscheidend dürfte die Lenkachse in der Mitte des Rades sein (das liesse sich mit Speichen kaum so realisieren). Mir ist aber auch aufgefallen, dass mit kleiner werdendem Laufrad die Vorteile eines Speichenrades kleiner werden. Wenn man beispielsweise Kinderräder, -laufräder und -roller anschaut, so wird man im Bereich 8 bis 12" nicht selten Vollräder finden. Sind andererseits bei Größen 10 bis 14" Speichen verbaut, so stellt sich beim genauen Hinschauen heraus, dass hier die Felgen selbst erheblich zur Stabilität beitragen müssen. Die Speichen nämlich sind teils abenteuerlich abgewinkelt (natürlich dabei nicht geöst gelagert) und verbogen montiert. Zumal am Hinterrad, mit Brems- oder gar Schaltnabe. Es scheint zu wenig Platz, damit Speichen ihre Vorteile ganz ausspielen können, die Radien sind zu eng. Jene Einspeichqualität würde ein 28" Erwachsenenrad mit entsprechender Belastung sicher negativ quittieren, aber beim Kinderrad geht es wohl.

Ein Analog-Problem (das nur am Rande) ist die Kinderwagen-Bereifung. Kennt ihr das - bei dermaßen engen Radien die Mäntel demontieren und montieren? Macht keinen Spass. Klemmig und nicht technisch so einfach lösbar, wie gewohnt. Eher Marke: rohe Gewalt und eiserner Wille.
 
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Das Gewicht spielt beim Fahrrad nun mal eine noch viel größere Rolle als beim Motorrad. Dort ist es auch ein entscheidender Faktor, aber andere Dinge, wie z.B. Rundlauf sind wesentlich wichtiger als beim Fahrrad. Ein gutes Speichenrad benötigt beim Motorrad eigentlich nie ein Nachzentrieren, die Speichen werden i.d.R. während des ganzen Motorradlebens nie mehr angefaßt. Auch sehr wichtig: eine Reifenpanne mit Schlauchreifen führt auf dem Mopped regelmäßig zu einer akuten Notsituation, die auch öfters mal in einen Sturz mündet. Bei Schlauchlosreifen ist hingegen der Druck nie so schlagartig weg, dass die Fuhre deswegen unbeherrschbar würde. Schlauchlosreifen bedingen jedoch ein geschlossenes Felgenbett, und das gibt's, von Sonderkonstruktionen mal abgesehen, nicht zusammen mit Drahtspeichen. Diese Sonderkonstruktionen, wie z.B. die BMW-Kreuzspeichenräder, sind dann übrigens immer schwerer als vergleichbare Gußräder. Ein konventionelles Drahtspeichenrad ist hingegen gewichtsmäßig m.W. noch immer ungeschlagen. Und ein solches Schlauchlosgewurschtel wie beim Fahrrad, mit Dichtmilch usw., wäre am Motorrad nicht zu machen, weil nicht verantwortbar.

Neben der Gewichtsoptimierung steht auch die Kosteneinsparung auf der Agenda.

Seit der Spezi hab ich öfters mal über dieses dein Problemchen nachgedacht. Ich lande dabei immer wieder bei einem geschweißten Rohrspeichenrad aus Stahl, das dann eine käufliche Aluminiumfelge aufnimmt. Ich denke, dass das bei deiner Anwendung wirklich die geeignetste Konstruktion wäre.
 
Mich freut sehr, dass du zu der Messe kommst (von der ich erst gestern erfuhr). Dein Projekt verfolge ich schon lange mit Interesse!

Zu der Frage des thread-Eröffners hat ja schon bastelfreak treffend geantwortet. Ich finde darüber hinaus die folgenden Punkte erwähnenswert:

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Das freut den Hobbyschrauber, aber es ist der Industrie am Ende komplett wurscht. Hauptsache es ist preiswerter, bei gleichbleibenden anderen Eigenschaften. Im Consumer-Markt herrscht so ein hoher Kostendruck, das ist jedes Mittel recht um die Herstellkosten zu reduzieren.
 
So oft knackt ja eine Speiche auch nicht, wenn das Rad entsprechend dimensioniert ist.
3 , 4 oder 5 Speichenräder finden sich im Zeitfahrwettbewerben, zu entsprechenden Preisen. Xentis zB
Im Billigsegment findet man ab und zu 8 Speichenräder aus Fernost.
 
Speichenbrüche am Fahrrad hatte ich bisher nur bei no-name Speichen und bei unterschiedliche Spannung der einzelnen Speichen.
Eine Speiche von DTswiss oder Sapim ist mir nur durch Vorschädigung oder sehr hohen Alters gebrochen.
Das Verhältnis von Steifigkeit zu Gewicht ist bei Speichenrädern immer noch am Besten, vorausgesetzt alle Teile wurden vernünftig konstruiert. Was Xentis oder Lightweight baut, sind Räder für Triathlon oder Zeitfahren. Da sind die Belastungen aber ganz anders. Vom Gewicht liegen sie aber immer noch über tune oder ax-lightness. Und die bauen Räder aus Naben, Speichen und Felgen.
Im Fahrradsegment wird viel gebaut um Geld zu verdienen, Dauerhaltbarkeit oder Effizienz sind nicht bei allen Herstellern oberste Priorität. Aber das will ja auch längst nicht jeder Kunde.
 
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