Wir waren diesen Sommer zwei Male für je eine Woche mit Kindern in Deutschland verreist gewesen. Das Thema Fahrradmitnahme (vier Räder) schwang mit. Wir haben kein Auto. Ausserdem hatten wir uns anlässlich zweier stattgehabter Radreisen mit dem Thema Bahn und Fahrradmitnahme beschäftigt. Das aktuelle zuerst.
Nach Niederbayern sind wir Anfang Juli mit Mietwagen (und haben die vier Räder irgendwie reingequetscht), nachdem uns ein Freund, der bei der Bahn arbeitet, dringlich abgeraten hatte, es so kurzfristig und ohne Reservierung mit der Bahn zu versuchen. Reservierungen zur Radmitnahme auf Fernstrecke für die Urlaubszeit seien so kurzfristig nicht mehr möglich nach seiner Einschätzung. Regionalzüge hätte man nutzen können, hier wird eh nicht reserviert, aber das hätte viel Umsteigen und knappe Anschlüsse bedeutet. Also kapituliert und Mietwagen.
Nach Usedom haben wir letzte Woche die Standardverbindung mit der Bahn mit Umsteigen in Züssow gewählt, dann weiter mit der UBB. Bis Züssow fahren ICE (teils der neuesten Generation), IC oder Regionalexpresszüge. Erstere selten, letztere häufiger. Wir hatten die Fahrräder nicht mit, aber mit Interesse zum Thema mal geschaut.
Im ICE gibt es diese neuen Fahrradmitnahme-Abteile (Teppichboden, schick, aber auch Platz verschenkt) mit ich glaube vier Stellplätzen so diagonal. Ein Muli mit knapp 2m Länge müsste man da schon irgendwie unterbekommen, wie ich schätze (ein Bullitt eher nicht). Die Leute hatten dort auch Kinderanhänger oder Klappräder hingedonnert, teils oben auf einer zusätzlichen Gepäckablage oder in irgendwelche Nischen gestellt. Die Zugbegleiter schienen hauptsächlich mit Hygieneregeln beschäftigt (gut so) und ich frage mich, ob sie abseits des Einsteigevorganges und direkten Ansprechens eines Fahrgastes überhaupt Gelegenheit gehabt hätten, ein dort abgestelltes Rad einem Fahrgast zuzuordnen und das dann zu diskutieren. Freilich: Bei Überfüllung und Reservierung kann das anders aussehen.
Der ICE fährt bis Züssow kaum schneller als ein IC oder der RE, insofern ist der Grund pro ICE eigentlich hauptsächlich der Umstand, dass man sich für die Familie Plätze reservieren kann. Die Hinfahrt im ICE war sehr gelassen gewesen, viel Platz, trotz fehlender Reservierung (ging aus irgendeinem Grund online nicht mehr) kein Problem. Auch am Radabstellplatz war gut was frei gewesen, da bedauerte ich unseren Verzicht. Zurück hatten wir überlegt: Samstag oder Sonntag (hätten verlängern können)? Die Reservierung für den ICE Samstag hatten wir schon und Sonntag waren hauptsächlich RE-Verbindungen in Frage gekommen, die halt entlang der Uckermark überall halten mit Zustieg von Tagesausflüglern, oft ja auch mit Rad etc. (und der Zug kommt zudem vielleicht schon voll aus Stralsund an). Wir entschieden uns für den ICE Samstag und der Zug war leider auch da schon sehr voll gewesen. Ehrlich gesagt etwas unangenehm voll in Coronazeiten (Maskenverweigerer inklusive). Alle Ecken, auch die Fahrradecke, war zugestellt gewesen. Erneut gab es eher lasche Kontrollen zu den Tickets ("jemand zugestiegen"?), mehr Interesse für die Maskenpflicht. Sitznachbarn hatten ein Klapprad, das alles interessierte nicht im Detail, so lange wie der Gang frei war, das war dann irgendwohin gepolkt. Vier Räder hätten auf der Rückreise ohne Reservierung ein Problem bedeutet, ganz unabhängig davon, ob nun auch noch Lastenrad. Da hätten wir auf den RE ausweichen müssen.
2017 hatten wir wegen der RE Züge auf reiner Radreise nach Usedom und informiert und, Ja, Lastenrad eigentlich ausgeschlossen (mein Bullitt, länger und sperriger als Dein Muli, 2,45m lang). Um die Innenstadt Berlin mit Kindern auf Rädern von der Tour auszusparen, haben wir aber dann die S-Bahn bis Bernau genommen, das (eigentlich verbotene) Bullitt hat keinen gestört. Es wurde aber sehr voll (Ausflugswetter) und das Aussteigen an der Endstation in Bernau (und Einsteigen Südkreuz) war insofern super gewesen, als dass genau zwischen diesen beiden Bahnhöfen zur Urlaubszeit viele Radler zustiegen. Mein Bullitt war zugebaut gewesen und vor Bernau wäre ich auch kaum rausgekommen.
2018 hatte mein Sohn einen schweren Fahrradunfall bei der Rückfahrt von der Ostsee und ich musste dann unverrichteter Dinge mit meiner Tochter und viel Gepäck nach Berlin zurück (meine Frau begleitete meinen Sohn ins Krankenhaus). Ich hatte einen Teil der Uckermark per Fahrrad gemacht und dann ab Angermünde den Regionalexpress genommen. Wochenende, Urlaubszeit, volle Züge zu erwarten. Hier zeigte sich was Erstaunliches. Der erste aus Stralsund kommende Zug war so voll gewesen, dass sogar ein Radler, der bereits im Zug gewesen war, in Angermünde wieder vor die Tür gesetzt wurde und auf den nächsten Zug warten musste (andere konnten garnicht erst zusteigen). Der nächste Zug eine Stunde später war dagegen fast leer gewesen und ich hatte für Lastenrad Bullitt samt Hänger dran allen Platz der Welt. Die Schaffnerin interessierte sich überhaupt nicht für Details (Lastenrad) und sah sich alle Tickets nur flüchtig an, war in allem sehr nett gewesen.
Kurz: Man kann es riskieren, sollte einen Plan B haben (zur Not Zeit für den nachfolgenden Zug), Reservierungen versuchen, möglichst Wochenenden meiden (damit Urlauberaufkommen und Tagesausflügler sich nicht aufdoppeln), Endbahnhöfe bevorzugen. Und, falls es speziell um Usedom geht: Die UBB ist recht eng in der Hochsaison, aber ab Züssow sind es nach beispielsweise Trassenheide auch nur 25km, das schafft man auch auf die schnelle mit dem Rad (während die Familie im Zug fährt).
Das Muli ist, was Lastenrad-Maße angeht, tatsächlich noch sehr zivil und mit eingeklapptem Korb für den Ungeübten kaum als Lasti zu erkennen.
Das Ostseeticket ist preislich durchaus eine Verführung, zumal als Familie!